Seid ihr bei der Formulierung „Bestimmung“ ein bisschen zusammengezuckt? Ich wäre es. Bestimmung ist ein wahnsinnig großes, einschüchterndes Wort. Trotzdem habe ich mich damit auseinandergesetzt, und zwar auf Anregung der wunderbaren Judith Peters. Mit ihrer Challenge „Blog your purpose“ hat sie mich mal wieder voll abgeholt. Und da ist er, mein Blogbeitrag über meine Bestimmungen. Ja, im Plural, denn an eine einzige, große Bestimmung glaube ich nicht. Und Judith übrigens auch nicht. Also, was will ich bewirken?
Ich will das Thema Tod aus der Tabuzone holen
Im April 2013 ist mein Vater an Krebs gestorben. Wir dachten nach Operationen und Behandlungen eigentlich, dass es ihm besser ginge. Und dann ging es plötzlich wahnsinnig schnell. Innerhalb von Tagen verschlechterte sich sein Zustand so sehr, weder wir noch die Ärzt:innen oder Pfleger:innen mit dem Thema mitkamen. Für ihn war immer klar, dass er zu Hause sterben wollte, und meine Mutter hatte ihm das auch versprochen, als er ins Krankenhaus musste. Dieses Versprechen haben wir eingelöst, auf den letzten Drücker. Wir wurden im Krankenhaus wahnsinnig gut unterstützt und alle Rädchen haben perfekt ineinandergegriffen. Dadurch konnten wir meinen Vater schließlich für seine letzten sechs Lebensstunden nach Hause holen. Er ist im Wohnzimmer meines Elternhauses gestorben, umgeben von der Familie, während seine Katze an sein Bein gekuschelt schlief.
Meinen Vater beim Sterben zu begleiten, gehört zu den prägendsten Erfahrungen meines Lebens. Es hat mir und der ganzen Familie unheimlich beim Trauern und Verarbeiten geholfen, dass wir es ihm so schön wie möglich machen und den Prozess bewusst miterleben konnten. Für mich war ziemlich schnell klar: Ich möchte mithelfen, dass so viele Menschen wie möglich einen würdevollen Tod nach ihren eigenen Vorstellungen sterben können. Ich möchte es Zugehörigen ermöglichen, auf gute Weise von ihren sterbenden Lieben Abschied zu nehmen.
2014 bin ich in den Hospizverein für den Landkreis Forchheim eingetreten und habe die Ausbildung zur Hospizbegleiterin durchlaufen. Die Menschen, die ich seitdem in ihrer letzten Lebenszeit begleiten durfte, haben wir wahnsinnig viel beigebracht. Es hat sich aber auch gezeigt, dass das Thema für mich noch mehr braucht als „nur“ die Begleitungen: Es geht darum, das Thema Tod wieder in den Alltag zu bringen und aus der Tabuzone zu holen. Berührungsängste abzubauen. Fragen zu stellen und zu beantworten. Und Menschen zu ermächtigen, sich dem Thema vorsichtig zu nähern, bevor es sie überrollt.
Ich habe also begonnen, zusätzlich zu den (inzwischen nicht mehr ganz so häufigen) Begleitungen über den Tod und die Hospizarbeit zu reden und zu schreiben:
- Mit unserem Schulteam im Hospizverein besuchen wir Schulklassen und beantworten die Fragen der Jugendlichen rund um Hospizarbeit, Sterben und Tod.
- Ein Jahr lang habe ich als Gastautorin im Bestatterweblog geschrieben, um dort von meinen Erfahrungen zu berichten.
- Auch hier im Blog kommt das Thema immer wieder zur Sprache.
- Und ich bin seit einigen Jahren im Ausbildungsteam des Hospizvereins, um weitere Hospizbegleiter:innen auszubilden und diese Fackel weiterzugeben.
Das Thema „würdevolles Sterben“ ist mir eine große Herzensangelegenheit. Eine Bestimmung? Ja, ich glaube schon.
Ich will einfach und wertschätzend Zusammenhänge erklären
Ich habe es ja schon das eine oder andere Mal erwähnt: Ursprünglich habe ich Grundschullehramt studiert. Ich wollte Kindern Dinge beibringen, ihnen Zusammenhänge erklären und ihnen helfen, die Welt zu begreifen. Aus unterschiedlichen Gründen habe ich die Schule recht schnell wieder verlassen. Aber dieses Erklären, das ist mir geblieben. Es steckt in den Unterrichtseinheiten, die ich in der Ausbildung neuer Hospizbegleiter:innen halte. Es steckt in den Gesprächen mit Jugendlichen über den Tod. Und es steckt vor allem in meinen Texten.
Ich schreibe am liebsten (und vielleicht auch am besten) Texte, die anderen helfen, sich selbst eine Meinung zu bilden. Ich liebe es, Zusammenhänge begreiflich zu machen und neue Denkimpulse zu setzen. Nicht umsonst sind die mit Abstand meistgelesenen Texte im Blog solche Erklärungs- und Einordnungstexte:
- „Deutsch*in“? Warum Alicia Joe beim Thema Gendersprache unrecht hat
- Warum Rechtschreibung wichtig ist (aber nicht immer)
- Sollte man Sterbenden die Wahrheit sagen?
Ich glaube, dass gute und wertschätzende Erklärungen zu den Dingen gehören, die die Welt zur Zeit ganz besonders braucht. Für die meisten Zusammenhänge gibt es keine simplen Erklärungen, die Welt ist kompliziert. Aber es ist möglich, die Dinge auf eine Weise zu erklären, dass Leser:innen neue Facetten wahrnehmen und Zusammenhänge begreifen können. Und das tue ich wahnsinnig gerne.
Ich will Worte wirksam machen und anderen helfen, ihre eigene Textsprache zu finden
Vor fast 15 Jahren habe ich an einer Visionssuche teilgenommen. Ich habe drei Tage und Nächte alleine in einem Wald in Norddeutschland verbracht und mich auf zwei für mich existenzielle Fragen konzentriert. Eine der Fragen war: „Was sollte ich beruflich tun, um meiner Natur zu folgen und der Welt mein Bestes zu schenken?“ Die Antwort, die sich schon nach der ersten Nacht herauskristallisiert hat, war ein einziges Wort: „Schreibe!“ Damals konnte ich nur wenig damit anfangen. Ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung das gehen sollte. Inzwischen weiß ich es und habe meinen beruflichen Platz gefunden:
Der Umgang mit Sprache ist und bleibt eine meiner großen Leidenschaften. Ich halte Worte für ein sehr mächtiges Instrument und habe es mir zur Aufgabe gemacht, andere beim Umgang mit Sprache zu unterstützen. Oft geschieht das, indem ich den Personen oder Unternehmen selbst eine Sprache leihe. ich unterstütze sie mit guten Blogbeiträgen, Newslettern und anderen Texten, in denen sich ihre Zielgruppe wiederfindet. Und manchmal schreibe ich nicht selbst, sondern helfe Selbstständigen, ihre eigene Textsprache zu finden, in der sie sich ausdrücken können.
„Sprich, damit ich dich sehen kann!“ Angeblich soll dieses Zitat von Sokrates stammen. In mir bringt es etwas zum Klingen. Ich liebe es, wenn Menschen gut mit Worten umgehen können. Damit meine ich nicht unbedingt druckreife Sprache oder perfekt strukturierte Texte. Mich berührt Sprache dann, wenn sie den Charakter der Menschen dahinter abbildet. Ich mag es, wenn ich spüren kann, wie jemand tickt, der einen Text geschrieben hat.
Sprache ist ein Mittel zur Kommunikation. Was nützt der ausgefeilteste und durchdachteste Text, wenn er bei den Leser:innen nicht ankommt? Welchen Selbstzweck hat eine perfekte Rechtschreibung, wenn es nicht gelingt, die Leser:innen zu berühren? In Zeiten von KIs ist es umso wichtiger, in Texten Persönlichkeit zu zeigen. Wenn die Rechtschreibung und der Aufbau dann auch noch gut sind, dann wird der Text am Ende rund. Aber im Zentrum des Ganzen steht immer, ob die Worte wirksam werden. Und dabei möchte ich auf die eine oder andere Art helfen.
Ich will einen Nachklang in Menschen erzeugen
Als ich über die Inhalte dieses Blogartikels nachgedacht habe, war mir völlig klar, dass auch das Thema LARP darin vorkommen muss. Seit über 20 Jahren ist dieses Hobby meine große Leidenschaft. Ich organisiere zusammen mit Freund:innen selbst Veranstaltungen, die großen Anklang finden. Ich liebe es, im LARP durch meine Musik und mein Spiel in Verbindung mit anderen zu gehen. Und ich habe riesigen Spaß daran, mit meiner Halbelfenbardin Rätsel zu lösen, Bedrohungen zu bekämpfen und Intrigen zu spinnen oder aufzudecken. Ich kann nirgendwo so gut entspannen und auftanken wie im LARP.
Ich habe versucht, die Essenz daraus zu ziehen. Was genau berührt mich an diesem Hobby so? Was will ich mit meinen Charakteren, meiner Spielweise, unseren Veranstaltungen erreichen? Ich habe etwas gefunden, das über das LARP hinausreicht: Ich will einen Nachklang in anderen Menschen erzeugen. Ich möchte Erinnerungen schaffen, von denen andere noch eine Weile zehren. Ich möchte ihnen auf eine Weise begegnen, die unter die Oberfläche schaut. Die sie als Personen wahrnimmt, ernst nimmt, empowert. Ihnen hilft, über sich selbst hinauszuwachsen. Denn genau das passiert mir selbst auch in unzähligen Szenen.
Irgendwie ist es erstaunlich, dass solche Begegnungen ausgerechnet da möglich sind, wo wir in die Rolle einer anderen Persönlichkeit schlüpfen. Andererseits scheint gerade die Spielumgebung Raum dafür zu schaffen. Nicht immer und mit allen natürlich. Aber wenn diese Begegnungen gelingen, dann erzeugen sie einen Nachklang, der über das Spiel hinausgeht und noch tage- oder wochenlang anhält.
Das, genau das will ich erreichen, im LARP und anderswo.
Liebe Birgit,
es ist beeindruckend, wie vielfältig du unterwegs bist. Bei LARP musste ich erst auf den Link klicken – das habe ich noch nie gehört. Mir gefällt, wie du das essenzielle, aber ernste Thema „Tod“ mit dem leichten, spielerischen LARP verbindest.
Und für mich ist in deinem Beitrag deutlich erkennbar, dass du komplexe Themen verständlich kommunizieren kannst. Es war ein Freude, den Text zu lesen. Danke!
Kreative und nachhaltige Grüße
Birgit (hier also von Birgit zu Birgit ;-))
Hallo Birgit,
danke für deinen Kommentar 🙂 Freut mich, dass dir mein Blogbeitrag gefallen hat! Ja, LARP ist schon etwas Besonderes, das kennen viele nicht. Ist schon auch speziell, aber ich liebe es sehr 🙂
Viele Grüße
Birgit
Liebe Birgit,
Du sprichst mir aus der Seele. Das Erlebnis, welches du mit deinem Papa hattest, hatte ich mit meiner Mama und habe es genauso tief empfunden wie du. Dein Blog-Artikel hat mich sehr berührt.
Danke dafür.
Liebe Grüße, Saskia
Liebe Saskia, das freut mich sehr 😀 Danke für die Rückmeldung! Viele Grüße, Birgit