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Ein Hoch auf die Selbstbestimmung: Warum das Online-Business meiner psychischen Gesundheit guttut

Ein Hoch auf die Selbstbestimmung! Psychische Gesundheit im Online Business

Technikelfe fragt: Wie geht es eurer psychischen Gesundheit im Online Business? Das ist meine sehr persönliche Antwort.

Die wunderbare Technikelfe Sara hat zu einer Blogparade aufgerufen, in der es um psychische Gesundheit im Online-Business geht. Wer selbstständig ist, arbeitet schließlich selbst und ständig, sagt ja schon ein (ziemlich doofes) Sprichwort. Wie geht man mit Stress und Druck um, mit Perfektionismus, Selbstzweifeln, ständiger Arbeitsbereitschaft, Existenzängsten und Überforderung? Über dieses Thema habe ich in den letzten Wochen viel nachgedacht und dabei festgestellt: Es gibt mehr Aspekte im Online-Business, die meiner psychischen Gesundheit guttut als solche, die ihr schaden. Allerdings ist das nicht immer so gewesen und ich muss auch heute noch einiges dafür tun, dass es auch so bleibt …

Aus der Fremdbestimmung in die Selbstbestimmung

Die schwierigste Zeit für meine psychische Gesundheit war mein Referendariat

Ich habe ursprünglich Grundschullehramt studiert. Nach dem Studium kam recht schnell mein Kind auf die Welt und ich habe lange pausiert. Als ich dann ins Referendariat eingetreten bin, war ich 29 und mein Kind 4. Die nächsten zwei Jahre waren für mich und für meine Familie die Hölle. Ich habe vorher und nachher nie wieder eine solche Belastung gespürt.

Ich wollte Lehrerin sein, habe die Kinder geliebt und fand es großartig, ihnen etwas beizubringen. Ich glaube, ich wäre auch eine gute Lehrerin geworden. Ich bin kreativ, zugewandt, einfühlsam und weltoffen. Alles wichtige Eigenschaften für eine:n Lehrer:in. Aber es gab auch Punkte, mit denen ich überhaupt nicht zurechtkam.

Einerseits waren das Schwächen des Schulsystems, die ich wirklich nicht mittragen wollte. Und andererseits fühlte ich mich im höchsten Grade fremdbestimmt und ausgeliefert. Die Seminarleiterin im Referendariat verlangte extrem viel von uns und kam immer wieder mit weiteren, unerwarteten Forderungen um die Ecke, die natürlich bitte bis morgen zu erfüllen seien. Widerspruch wurde vordergründig gelobt und später dann negativ bewertet.

Und auch der Job selbst ist nun mal extrem fordernd und gibt viele Bedingungen unverrückbar vor.

  • Dir geht es heute nicht gut? Das interessiert die Schüler:innen nicht, sie haben ein Anrecht auf guten Unterricht. Wenn du Pech hast, spüren sie sogar noch, dass sie sich heute mehr erlauben können als sonst.
  • Du bräuchtest einen Tag frei, weil deine Freundin heiratet oder der Großonkel beerdigt wird? Geht außerhalb der Ferien nicht, solange es sich nicht um engste Familienangehörige handelt.
  • Du brauchst mehr Zeit, um den Kindern ein wichtiges Thema nahezubringen, mit ihnen Ausflüge zu machen oder soziale Probleme in der Klasse zu lösen? Dann kommst du in kürzester Zeit in Konflikte mit dem übervollen Lehrplan. Wer das Thema jetzt noch nicht verstanden hat, hat eben Pech gehabt.
  • Ein:e Schüler:in braucht mehr Aufmerksamkeit? Das geht nur so lange, bis der Rest der Klasse im Chaos versinkt (was wirklich, wirklich schnell gehen kann).

Ich arbeitete bis zum Umfallen und musste trotzdem dabei zusehen, wie mir Kinder durchs Netz rutschten und ich nie genug für alle leisten konnte. Das hat mich sehr belastet.

Ich stellte fest, dass ein Großteil der Grundschullehrer:innen in Teilzeit arbeitete, nur um dann in Wirklichkeit doch ein volles Pensum (oder mehr) zu leisten. Weil eine echte Vollzeitstelle in diesem Job kaum zu schaffen ist, wenn man alle Kinder fördern und nicht nur Dienst nach Vorschrift leisten will.

Ich bekam mit, wie viele Lehrer:innen einen Burnout bekommen und wie das System das noch befördert.

Ich erlebte, wie Lehrer:innen in meiner Schule Übermenschliches leisteten, um die vielen Burnout-Krankenstände auszugleichen.

Und ich erlebte, wie abwertend das Schulamt damit umging und dass es statt Unterstützung noch Häme fürs Kollegium gab.

Im zweiten Jahr des Referendariats war ich mit meinen psychischen und emotionalen Kräften am Ende. Damit war ich nicht alleine, einem Großteil meiner Referendariatskolleginnen ging es genauso. Eine musste (mit Mitte 20!) Betablocker nehmen, weil ihr Herz mit der Belastung nicht mitkam. Zwei besuchten heimlich und auf eigene Kosten eine Psychotherapie. (Offiziell geht das nämlich nicht, weil eine psychische Erkrankung die Verbeamtung gefährden würde.) Und so ziemlich jede von uns hatte während dieser zwei Jahre mindestens einen Heulkrampf oder Zusammenbruch. Ich selbst war zwischenzeitlich drei Wochen krankgeschrieben, weil einfach nichts mehr ging.

Mir wurde klar: Diesen Job kann und will ich nicht weitermachen. Damit hätte ich meine psychische Gesundheit definitiv aufs Spiel gesetzt.

Ich führte das Referendariat zu Ende. Ich wollte nicht scheitern, sondern mich anders entscheiden. Aber mir war im letzten halben Jahr schon klar, dass ich nach Abschluss der Prüfungen keinen Tag mehr als Lehrerin arbeiten würde. Einen Plan B gab es nicht, der kam erst später. Aber so konnte ich nicht weitermachen, wenn ich gesund bleiben wollte.

Welche Freiheiten mein Online-Business mir lässt

Heute, 12 Jahre später, lebe ich das gegenteilige Modell. Ich bin als freiberufliche Texterin (fast) völlig frei darin, wie, wann, wo, mit wem und woran ich arbeite, und ich liebe das so sehr.

  • Mein Arbeitsplatz kann mein Schreibtisch sein, aber auch das kleine Tischchen im Schlafzimmer, der Pavillon im Garten oder das Café in der Stadt. Theoretisch könnte ich unter Palmen arbeiten, wenn ich das wollte.
  • Meine Arbeitszeiten bestimme ich. Wenn ich morgens noch eine Stunde mehr Schlaf brauche, dann nehme ich sie mir. Wenn nachmittags das Hirn leergeschrieben ist und ich nichts mehr Sinnvolles zusammenbringe, dann höre ich auf oder mache zumindest eine längere Pause.
  • Ich habe die Möglichkeit, auf meinen Gesundheitszustand frühzeitig zu reagieren. Wenn ich mich nicht gut fühle, mache ich einen halben oder ganzen Tag frei. Oft ist dann die Welt schon wieder in Ordnung und ich werde gar nicht erst richtig krank.
  • Ich entscheide, welche Aufträge und Kund:innen zu mir passen (und ich zu ihnen). Das hat zur Folge, dass ich mit tollen, entspannten Leuten zusammenarbeite, mit denen ich großartige Texte und Ideen in die Welt bringen kann. So etwas wie Ghostwriting für akademische Texte wird zwar immer mal angefragt, aber das lehne ich kategorisch ab.

Diese Freiheiten waren natürlich nicht vom ersten Tag an da, der gesunde Umgang damit schon gar nicht. Sie sind mit dem Business gewachsen. Und – das möchte ich nicht verschweigen – meine Freiheiten sind auch deshalb so groß, weil ich einen Partner habe, der gut verdient. Ich hatte aufgrund meiner Familienkonstellation nie ernsthafte Existenzängste, das ist ein enormes Privileg.

Ich habe mein Ausscheiden aus der Schule nicht einen Tag bereut und bin wahnsinnig froh darüber, wie ich heute arbeiten kann. Ist deshalb jetzt alles rosarote Zuckerwatte? Natürlich nicht.

Mein Kryptonit: Selbstzweifel

Es gibt da diese eine Sache, die mir regelmäßig Knüppel zwischen die Beine wirft. Und das ist diese leise Stimme in mir, die immer wieder Zweifel anmeldet. Die meint, ich solle als Quereinsteigerin mal lieber den Mund nicht so voll nehmen. Andere könnten das doch alles besser. Ich hätte in der Vergangenheit ja auch schon mal einen Fehler gemacht. Ich sollte vielleicht mehr leisten, mehr können, mehr sein. Und ich sollte mir lieber nicht zu große Ziele stecken, weil ich damit womöglich scheitern könnte.

Ich habe gelernt, dieser Stimme nicht zu glauben. Ich weiß, was ich kann und dass meine Kund:innen sehr zufrieden sind mit meiner Arbeit. Dass es wirklich gut ist, was ich tue, und dass ich damit vielen anderen Menschen weiterhelfe. Und trotzdem muss ich bei schlechtem Wetter, mieser Hormonlage oder anderen Widrigkeiten aufpassen, dass die Selbstzweifel nicht zu laut werden und nicht zu viel Macht bekommen.

Meine Learnings: Wie ich meine psychische Gesundheit schütze

Saras Blogparade fragt nicht nur nach persönlichen Geschichten, sondern auch nach Tipps, wie man im Online-Business die eigene psychische Gesundheit schützen kann. Das sind meine wichtigsten Tipps:

Nutze die Freiheiten als Möglichkeit

Die oben genannten Freiheiten haben eine Kehrseite: Sehr leicht wird aus „Ich könnte immer und überall arbeiten“ ein „Ich arbeite immer und überall“. Dann bleibt nicht viel von der Freiheit übrig, weil keine Leerräume mehr möglich sind.

Mach dir klar: Die einzige Person, die dir in deinem Business freigeben kann, bist du selbst. Du bestimmst, wann Feierabend ist, wann du dir einen Tag (oder auch viel mehr) freinimmst und wie hoch dein wöchentliches Arbeitspensum ist. Sei dir ein:e fürsorgliche:r Chef:in und achte darauf, dass die Freiheiten auch solche bleiben.

Nimm deine Arbeitszeiten ernst (und verlange das auch von anderen)

Es gibt noch eine zweite Falle durch die großen Freiheiten: Möglicherweise werden deine Arbeitszeiten von deiner Familie, deinen Freund:innen oder dir selbst nicht ernst genommen. Ich ertappe mich selbst immer wieder dabei, dass ich alle möglichen Dinge in die Zeiten lege, in denen ich eigentlich besonders produktiv bin.

Der Schornsteinfeger will kommen? Kein Problem, ich bin ja da. Die Katze muss zum Tierarzt? Ich kann mir die Zeit ja frei einteilen. Die Freundin möchte ein bisschen quatschen? Klar, ich kann ja auch noch später arbeiten.

Dass das möglich ist, ist ein großes Geschenk. Aber wenn so etwas zu oft passiert, zerfasert man sich und findet nur schwer wieder in die Arbeit hinein.

Achte deshalb darauf, deine Arbeit ernst zu nehmen und ihr genügend Zeit einzuräumen. Mach auch Familienangehörigen, Freund:innen und anderen Beteiligten klar, dass du in der Arbeitszeit möglichst nicht gestört werden möchtest. Das gilt vor allem für die Zeiten, in denen du dich am besten konzentrieren kannst.

Halte Freizeiten ein, drehe die ständige Erreichbarkeit zurück

Ich arbeite nur in ganz seltenen Fällen am Wochenende. Nur dann, wenn es gar nicht anders geht oder ich – so wie gerade – wirklich Lust darauf habe. Ich bin auch nicht rund um die Uhr für meine Kund:innen erreichbar. Mails können auch noch am nächsten Tag beantwortet werden und es kommt so gut wie nie vor, dass ein Text wirklich unbedingt noch am Wochenende fertig werden muss.

Ob es bei dir das Wochenende, der Urlaub oder feste Zeiten für den Chor oder den Sport sind (oder alles zusammen): Lege solche Tabuzeiten für dich fest und halte dich daran, solange keine echten Notfälle eintreten. Als Angestellte:r säßest du am Wochenende schließlich auch nicht im Büro.

Suche dir Unterstützer gegen die Einsamkeit im Home-Office

So sehr ich die Stille und das Alleinsein in meinem Home Office schätze, manchmal wird es auch schwierig, mit allem alleine zurechtzukommen. Man schmort dann so ein wenig im eigenen Saft.

Deshalb kann ich nur empfehlen, dir Menschen zum Austausch und zur Unterstützung zu suchen. Am besten natürlich Menschen, die in ähnlichen Bereichen arbeiten und dadurch deine Probleme kennen. Bei mir ist das die Home Sweet Office Family von Claudia Kauscheder. Dort bekomme ich jederzeit kluge Gedanken, Aufmunterung oder auch mal einen Tritt in den Allerwertesten, wenn ich es brauche.

Finde Methoden, um deine Gedanken zur Ruhe zu bringen

Im Online-Business können die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit schnell verschwimmen. Du solltest deshalb Möglichkeiten haben, um deine Gedanken zur Ruhe zu bringen und wirklich abzuschalten. Bei mir sind das mehrere Dinge: Spazieren gehen, Musik machen, Meditieren und Schreiben. Letzteres klingt vielleicht ein wenig seltsam, weil meine Arbeit ja auch aus Schreiben besteht. Und trotzdem hilft mir das Schreiben sehr, mich zu sortieren. Ich lasse dann einfach ungefiltert meine Gedanken in die Tastatur fließen, bis sie sich ordnen.

Was hilft dir, zur Ruhe zu kommen und von der Arbeit abzuschalten? Und was sind deine Gedanken und Tipps rund um das Thema psychische Gesundheit? Schreibe es mir gerne in die Kommentare!

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Hi Birgit!

    Ja, das Thema ist super interessant und super wichtig. Ich habe seit Anfang des Jahres eine Führungsposition in einem mittelständischen Unternehmen inne, und am Anfang wirklich Schwierigkeiten gehabt, am Wochenende abzuschalten. Die Mischung aus Begeisterung für den Job, Ansprüche an die Qualität meiner Arbeit, Verantwortungsbewusstsein und einer ellenlangen To-Do Liste mit Deadlines haben mich auch nach Feierabend verfolgt.
    Um dem entgegen zu wirken, schreibe ich mir jeden Freitag, kurz vor Feierabend auf einen kleinen Zettel mindestens eine positive Sache, die in der Woche passiert ist. Ein Projekt, das man beendet hat, Lob vom Chef oder wenn ich echt zufrieden mit der Arbeit meiner Mitarbeiter:innen war. Das hilft mir, neben dem Stress und der Verantwortung auch die Erfolge zu sehen und tatsächlich abzuschalten am Wochenende.
    Und am Ende des Jahres kann man dann alles nochmal Revue passieren lassen 🙂

    Liebe Grüße,
    Sandra

    Antworten

    • Oh, das ist auch eine sehr schöne Idee, vielen Dank für den Impuls! 🙂

      Antworten

  2. Liebe Birgit,

    danke für deinen wundervollen Blogartikel! Ich kenne die Selbstzweifel sehr gut und finde es wunderbar, dass du einen Weg gefunden hast um damit gut umzugehen. Und auch das Bewusstsein, dass du dir deine Freiräume selbst schaffst finde ich unheimlich wertvoll! Da kann ich noch ganz viel dazulernen.

    Herzlichst,
    Sara

    Antworten

    • Liebe Sara,

      das freut mich sehr! Dir herzlichen Dank für die Blogparade! Sie hat mir eine ganze Menge zum Denken gegeben.

      Viele Grüße
      Birgit

      Antworten

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