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Sterben begleiten: So wird Sterben zu Hause möglich

Sterben begleiten: So wird Sterben zu Hause möglich

Sterben begleiten: So wird Sterben zu Hause möglich.

Wo möchtest du einmal sterben, wenn es so weit ist? Die meisten Menschen antworten auf diese Frage, dass sie gerne zu Hause sterben möchten. Aber dazu ist es notwendig, dass Angehörige das Sterben begleiten können. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Menschen sich diesen Schritt zutrauen und dass das Sterben zu Hause noch häufiger möglich wird. Dieser Text erklärt, welche Hilfen du bekommen kannst und was du beachten solltest, wenn du einen Angehörigen zu Hause beim Sterben begleiten willst.

Sterben zu Hause: Vorteile und Nachteile

Zu Hause sterben oder doch lieber in ein Krankenhaus oder ein Hospiz? Oder ins Seniorenheim? All das sind Möglichkeiten mit Vor- und Nachteilen. Schauen wir uns das eigene Zuhause als möglichen Sterbeort mal genauer an. 

Sterben zu Hause: Vorteile

Es hat einige sehr wertvolle Vorteile, das Sterben zu Hause zu begleiten:

  • Man erfüllt damit den Wunsch vieler Sterbender und hilft ihnen dabei, ihre Würde zu bewahren. (Natürlich ist es genauso in Ordnung, andere Wünsche für das eigene Sterben zu haben. Diese sollten, wenn möglich, erfüllt werden.)
  • Die Sterbenden können in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Das bedeutet mehr Gemütlichkeit, einen engeren Kontakt zu den Liebsten, mehr Teilhabe am gewohnten Leben und weniger Angst.
  • Zu Hause sterben bedeutet mehr Ruhe und weniger Hektik als zum Beispiel im Krankenhaus. Der gewohnte Tagesablauf kann so weit wie möglich eingehalten werden.
  • Die geliebten Menschen können jederzeit in der Nähe des oder der Sterbenden sein. Was das bedeutet, ist durch die Besuchsverbote in der Pandemie deutlicher geworden denn je.
  • Durch all diese Aspekte können Abschied und Trauer leichter werden, und zwar auch für die Zugehörigen, die das Sterben begleiten.

Sterben zu Hause: Nachteile

Dem gegenüber stehen natürlich auch Nachteile:

  • Manche medizinischen Möglichkeiten stehen zu Hause nicht zur Verfügung. Das sind allerdings nur sehr wenige, wie ich im Lauf des Artikels noch erklären werde.
  • Sterbebegleitung kann für Angehörige sowohl emotional als auch organisatorisch zu einer großen Belastung werden. Diese sollten sich deshalb gut überlegen, was für sie machbar ist und welche Hilfen sie sich organisieren können.
  • Manche Sterbenden haben Sorge, ihren Angehörigen zu sehr zur Last zu fallen.

Sterben begleiten: Diese Unterstützung ist möglich

Eine längere Sterbebegleitung eines Angehörigen ist alleine nur schwer zu bewältigen, vor allem wenn du so etwas noch nie gemacht hast. Es ist in vielen Fällen ein 24-Stunden-Job, der körperlich und emotional sehr belastend sein kann. Deshalb solltest du dir unbedingt jede Unterstützung suchen, die möglich ist und dir sinnvoll erscheint. Dann kann eine Sterbebegleitung extrem bereichernd und eine wunderbare Erfahrung sein.

Familien- und Freundeskreis:

Eine Person alleine kann eine längere Pflege und Sterbebegleitung nur schwer schaffen. Ideal ist es deshalb, wenn andere Familienmitglieder oder Freund:innen sich einbringen. Schon eine oder zwei Stunden Ablösung am Krankenbett können für die hauptsächlich pflegende Person sehr wertvoll sein. Auch Aufgaben wie Kochen oder Einkaufen können zwischendurch andere übernehmen, sodass die Last nicht auf einer:m alleine liegt. 

Wichtig zu wissen: Viele Menschen erstarren erst einmal, wenn sie hören, dass jemand im Sterben liegt. Sie möchten häufig helfen, wissen aber nicht, wie. Wir sind es in unserer Gesellschaft nicht gewohnt, offen über das Sterben zu sprechen. Sprich dein Umfeld deshalb aktiv an und frage, wer zum Helfen bereit ist.

Ambulante Pflegedienste:

Pflegedienste erleichtern die Versorgung von Sterbenden zu Hause ganz erheblich. Außerdem helfen sie, die Grenzen der Angehörigen zu wahren. Die Körperpflege können sich viele nämlich nicht gut vorstellen und das ist auch in Ordnung. 

Je nach Notwendigkeit und Pflegestufe kommt ein Pflegedienst mehrmals wöchentlich bis mehrmals täglich ins Haus. Die Pflegekräfte können zum Beispiel das Waschen und Anziehen übernehmen, Wunden versorgen, Medikamente geben oder medizinische Geräte überprüfen. Für viele Angehörige ist das eine große Erleichterung.

Tipp: Lass dir vom ambulanten Pflegedienst zeigen, wie du deinen sterbenden Angehörigen im Bett umlagern oder in den Rollstuhl setzen kannst. Ein paar grundlegende Handgriffe machen vieles einfacher.

SAPV: die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung

Wenn die normale Pflege und die Betreuung durch den Hausarzt oder die Hausärztin nicht ausreichen, kommt die SAPV ins Spiel. SAPV ist die Abkürzug für „Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung“. Hier arbeiten Palliativmediziner:innen und Palliativpflegekräfte im Team zusammen und unterstützen die Sterbenden und ihre Familien. Sie sind rund um die Uhr erreichbar und können zu Hause fast die gleiche medizinische Versorgung ermöglichen wie im Krankenhaus.

Für mich ist die SAPV das Superheldenteam bei der Sterbebegleitung und eine Wahnsinns-Unterstützung, um auch bei schwierigen Fällen Sterben zu Hause möglich zu machen.

In Deutschland zahlt die Krankenkasse die SAPV, wenn Bedarf besteht. Sie wird über die Hausärzt:innen verordnet. Allerdings – und das ist ein echtes Problem – ist die Versorgung in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. In manchen Gegenden ist es schwierig bis unmöglich, eine SAPV zu bekommen. Einen Versuch ist es aber auf jeden Fall wert.

Sozialdienste im Krankenhaus:

Falls die sterbende Person aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen werden soll, kann der Sozialdienst im Krankenhaus eine große Hilfe sein. Er unterstützt bei der Organisation eines Pflegebettes und anderer Utensilien und hilft dabei, Pflegedienste etc. mit einzubeziehen. Wenn man hier an eine:n engagierte:n Mitarbeiter:in gerät, ist das Gold wert.

Ambulante Hospizvereine und Hospizdienste:

In Deutschland gibt es inzwischen fast flächendeckend Hospizvereine, die ambulante Sterbebegleitung anbieten. Hier arbeiten Ehrenamtliche, die nach Hause (oder auch ins Pflegeheim oder Krankenhaus) kommen, um Sterbende zu begleiten und Zugehörige zu unterstützen. Hospizvereine leisten keine Pflege, aber sie können auf vielfältige Weise unterstützen.

Die Ehrenamtlichen sind Ansprechpartner:innen für Sorgen und Ängste. Sie kennen eine Menge Tipps und Tricks, mit denen die Lebensqualität in der Sterbephase erhöht werden kann. Sie sorgen für angenehmen Zeitvertreib, indem sie schwerkranken und sterbenden Menschen vorlesen, singen oder auf andere Weise mit ihnen Zeit verbringen. Und sie entlasten pflegende Angehörige, indem sie für eine Weile Dienst am Sterbebett übernehmen.

Die ambulante Hospizarbeit ist übrigens auch der Grund, aus dem mir dieses Thema so am Herzen liegt. Ich bin seit 2014 ehrenamtliche Hospizbegleiterin im Hospizverein für den Landkreis Forchheim e.V. und dort seit einigen Jahren auch im Ausbildungsteam aktiv. Außerdem gehe ich mit dem Schulteam hin und wieder in Klassen, um dort mit Jugendlichen über Sterben, Tod und Hospizarbeit zu sprechen.

Sterben begleiten: die 9 wichtigsten Tipps

Die meisten Menschen, die Angehörige beim Sterben begleiten, hatten vorher kaum enge Berührungspunkte mit dem Tod. Sie wissen erst mal gar nicht, was sie erwarten wird. Wenn es dir auch so geht, helfen dir diese 9 Tipps sicher weiter:

1. Essen und Trinken in der Sterbephase

Am Ende des Lebens nehmen die meisten Menschen nur noch wenig oder gar keine Speisen und Getränke mehr zu sich. Das verunsichert Angehörige sehr und versetzt sie nicht selten in Angst. Sie befürchten, ihr:e Angehörige:r würde nun elend verdursten oder verhungern. Das passiert aber nicht. Der Zusammenhang ist umgekehrt: Menschen sterben nicht, weil sie nicht mehr essen und trinken. Sondern sie essen und trinken nicht mehr, weil sie sterben. Es ist ein normaler Teil des Sterbeprozesses, das sollten Angehörige wissen. Hier habe ich schon einmal ausführlich über dieses Phänomen geschrieben.

2. Mundpflege ist wichtig für Sterbende

Eine gute Mundpflege ist extrem wichtig, um die Lebensqualität von Menschen in der Sterbephase zu erhöhen. Gemeint ist damit vor allem das Anfeuchten des Mundes. Die meisten Menschen trinken jetzt kaum noch, atmen dafür aber mit offenem Mund. Das trocknet die Zunge und die Schleimhäute im Mund furchtbar aus und kann sehr unangenehm werden. Deshalb solltest du dafür sorgen, dass der Mund der:s Sterbenden immer wieder gut befeuchtet wird. Wie das geht, habe ich hier ausführlich beschrieben.

3. Keine Angst vor der Rasselatmung

Viele Menschen, die andere beim Sterben begleiten, haben große Angst davor, dass ihr:e Angehörige:r ersticken könnte. Atemnot kann unter Umständen im Sterbeprozess tatsächlich vorkommen. Hausärzt:innen oder Palliativteams können sie in den meisten Fällen sehr gut lindern. Viel häufiger als echte Atemnot kommt jedoch die sogenannte Rasselatmung vor. Sie kann sich für Außenstehende scheußlich anhören, belastet die Sterbenden aber nicht. Deshalb ist es sehr wichtig, die Anzeichen für diese veränderte Atmung zu kennen. Hier habe ich mehr dazu geschrieben.

4. Letzte-Hilfe-Kurse

In immer mehr Städten werden sogenannte Letzte-Hilfe-Kurse angeboten. Sie richten sich an Angehörige und bringen ihnen die notwendigen Hilfestellungen und Tipps bei, die sie in der Sterbebegleitung brauchen. Ich kann einen solchen Kurs nur empfehlen, am besten schon im Vorfeld. Du bekommst damit viel mehr Sicherheit im Umgang mit dem Sterben.

5. Sterbende hören bis zum Schluss

Man sagt, dass der Gehörsinn der letzte ist, der uns beim Sterben verlässt. Auch Menschen, die schon weit weg erscheinen und längst nicht mehr reagieren, können möglicherweise noch hören, was um sie herum geschieht. Das solltest du beachten, wenn du im Zimmer der:des Sterbenden sprichst. Rede bis zum letzten Moment (und am besten darüber hinaus) freundlich und liebevoll mit der:m Sterbenden. Warne sie:ihn vor, wenn du die Lage änderst, Mundpflege betreibst oder sie anderweitig berührst. Und vermeide abfällige oder unangemessene Sprache, selbst wenn du glaubst, die:der Sterbende bekäme es nicht mehr mit.

6. Zu viel Trubel vermeiden

Im Laufe des Sterbeprozesses haben die meisten Menschen ein immer größeres Bedürfnis nach Ruhe. Es wird dann schnell zu viel, wenn sich der Besuch die Klinke in die Hand gibt oder wenn ständig der Fernseher läuft. Sterbende freuen sich durchaus über Beschäftigung, natürlich wollen auch sie Schönes sehen, hören und erleben. Aber zu viel Trubel tut ihnen meist nicht gut, jedenfalls nicht über längere Zeit.

7. Ruhe und Nichtstun aushalten

Viele Angehörige wollen so viel wie möglich für ihre sterbenden Liebsten tun. Sehr häufig ist es jedoch wichtig, einfach nichts zu tun und nur da zu sein (und auch das nicht immer, wie der nächste Tipp sagen wird). Die Stille aushalten, das ist manchmal die beste Hilfe. Und die schwierigste Aufgabe.

8. Du musst nicht in jeder Minute da sein

Der Anspruch vieler Angehöriger ist, den:die Sterbende:n nicht alleine zu lassen, schon gar nicht im Sterbemoment. Sie wollen das Sterben begleiten, bis zur letzten Sekunde. Das ist wunderbar, aber auch ein extrem hoher Anspruch. Und manchmal ist es das Gegenteil von dem, was die Sterbenden brauchen. Es gibt immer wieder Berichte von Angehörigen, die über Tage hinweg am Sterbebett ausgeharrt haben. Und gerade in dem kurzen Moment, als sie auf der Toilette waren oder schnell etwas gegessen haben, ist der Tod eingetreten.

Das ist nicht immer nur Zufall: Manchen Menschen scheint das Sterben leichter zu fallen, wenn sie alleine sind. Deshalb ist es nicht nur in Ordnung, sondern womöglich sogar hilfreich, wenn du hin und wieder deine Position am Bett verlässt.

9. Keine Berührungsängste gegenüber Sterbenden

Manche Menschen haben Berührungsängste den Sterbenden gegenüber. Wie viel körperliche Nähe geht jetzt noch? Darf man der sterbenden Person über die Wange streicheln? Sie umarmen? Sich mit ins Bett kuscheln? Klar! Wenn das beiden guttut und diese Nähe angemessen ist (also zum Beispiel bei einem Paar), dann spricht überhaupt nichts dagegen. Berührungsängste sorgen für unnötige Distanz.

Sterben begleiten: Diese 3 Bücher helfen dir bei der Vorbereitung

Wenn du genügend Zeit und Energie hast, empfehle ich dir eines dieser drei Bücher. Du lernst darin wahnsinnig viel über das Sterben an sich und darüber, wie du Sterben begleiten kannst:

  1. Gian Domenico Borasio: „Über das Sterben“
  2. Felix Hütten: „Sterben lernen – Das Buch für den Abschied“
  3. Berend Feddersen, Dorothea Seitz, Barbara Stäcker: „Der Reisebegleiter für den letzten Weg“

Wie ist das bei dir? Welche Erfahrungen hast du mit dem Sterben zu Hause oder mit Sterbebegleitung gemacht? Würdest du dir zutrauen, jemanden beim Sterben zu begleiten? Welche Fragen sind noch offen geblieben? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Frau Oppermann,

    ein wirklich guter und hilfreicher Artikel.

    Ich bin in der vom SAPV begleiteten Unterstützung meines Partners.

    Ich sehe die Zeit der Begleitung auch als persönlichen Gewinn an. Alles, was ich in den letzten Jahrzehnten erfahren und gelernt habe, kann ich jetzt anwenden. Ich bin so bei bei mir nun selbst angekommen.

    Das gibt mir Kraft und Zuversicht im Prozess, den ich ressourcenorientiert mitgestalte.

    Viele Grüße, Joachim Gauert

    Antworten

    • Lieber Herr Gauert,
      es freut mich sehr, dass ich Ihnen mit meinem Text helfen konnte. Ja, ich empfinde die Begleitung von Sterbenden auch als persönlichen Gewinn und als sehr wertvolle, wenn auch sehr schwierige Zeit. Ich wünsche Ihnen viel Kraft, noch viele schöne Momente mit Ihrem Partner und – wenn es dann soweit ist – einen guten Abschied!
      Viele Grüße
      Birgit Oppermann

      Antworten

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