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Warum wir mehr über den Tod sprechen sollten

Alter Grabstein und Titel des Blogbeitrags: "Über den Tod sprechen"

Es gibt gute und wichtige Gründe, mehr über den Tod zu sprechen.

Heute wird es ein kleines bisschen ungemütlich, denn es geht um das Thema Tod. Über das Sterben und den Tod reden wir nicht gerne. Ehrlich gesagt denken die meisten Menschen noch nicht mal darüber nach, wenn es sich vermeiden lässt. Schließlich fühlt es sich unbehaglich an und man will ja auch nichts „beschreien“. Es gibt jedoch gute Gründe, das in Zukunft zu ändern:

Wir sollten mehr über den Tod sprechen, weil er uns alle betrifft

Auch wenn wir es noch so gekonnt ignorieren: Wir sind sterblich. Alle. Natürlich hast du das gewusst. Aber trotzdem reagieren viele Menschen bei diesem Thema, indem sie sich – zumindest symbolisch gesprochen – die Finger in die Ohren stecken und laut singen.

Es gibt nicht so viele Themen, von denen wirklich ausnahmslos alle Menschen betroffen sind. Der Tod gehört aber dazu. Ich wiederhole es also noch mal: Wir werden sterben, früher oder später.

Und wenn das so ist, dann wäre es doch gut, sich ein klein wenig damit zu beschäftigen, oder nicht?

Ganz wegschieben lässt sich ein schwieriges Thema nämlich auf Dauer nicht. Es schwelt im Unbewussten und macht uns vieles unnötig schwer. Wenn es dagegen gelingt, dem Tod ins Gesicht zu schauen und ihn als Teil des Lebens zu akzeptieren, kann damit viel Leichtigkeit einhergehen. Gespräche sind kleine Schritte auf diesem Weg.

Wir sollten mehr über den Tod sprechen, weil das die Angst nimmt

Die meisten Menschen haben Angst vor dem Sterben und viele verbinden schreckliche Vorstellungen damit. Diese Angst zu ignorieren und wegzudrücken ist leider eine weit verbreitete Reaktion in unserer Gesellschaft. Eine ziemlich ungünstige Reaktion, die die Ängste eher größer als kleiner macht, wenn ihr mich fragt.

Ich arbeite ehrenamtlich als Hospizbegleiterin in einem ambulanten Hospizverein. Was das genau ist, habe ich hier erklärt. Kurz gesagt besuche und begleite ich schwerst kranke und sterbende Menschen und ihre Zugehörigen. Bei der Begleitung mache ich immer wieder die Erfahrung, dass Unwissenheit die größten Ängste auslöst. Zum Beispiel bekommen viele Menschen große Angst, wenn sich die Atmung der:des Sterbenden verändert oder sie:er nicht mehr essen und trinken will. Sie wissen nicht, was auf sie zukommt, und fürchten, der Situation nicht gewachsen zu sein. Aufklärung ist an dieser Stelle das Wichtigste, um die Zugehörigen und manchmal auch die Sterbenden zu beruhigen.

Meine Beschäftigung mit dem Tod und dem Sterben hat mir viele Ängste genommen. Ich weiß inzwischen, dass das Sterben in den meisten Fällen längst nicht so schrecklich ist, wie man es sich vorstellt. Dass es viele Hilfen und Behandlungsmöglichkeiten gibt, sodass heute kaum noch jemand qualvoll sterben muss. Dass ein Sterben zu Hause in vielen Fällen möglich und für die Beteiligten wertvoll ist. Und dass es auch in den letzten Tagen, Stunden und Minuten noch ganz wunderbare Momente geben kann, wenn man sich darauf einlässt.

Angst wächst vor allem im Schweigen und in der Unwissenheit. Schon deshalb sollten wir häufiger über den Tod sprechen.

Wir sollten mehr über den Tod sprechen, weil dadurch Trauernde sichtbar werden

Nahezu jeder Mensch über – sagen wir mal – 30 hat schon Erfahrungen mit dem Tod gemacht. Ob die Großeltern, die Eltern, Geschwister, Freund:innen oder auch „nur“ Haustiere gestorben sind: Wir haben getrauert und tun es vielleicht immer noch. Wir haben Verluste erlebt, die kaum in Worte zu fassen sind. Und trotzdem schweigen wir darüber weitgehend und bauen Mauern zu anderen Menschen auf, weil wir nicht wissen, wie wir darüber reden sollen.

„Ach, du trauerst noch?“, wurde meine Mutter von einem Kollegen gefragt, gerade einmal drei Monate nach dem Tod meines Vaters. Drei Monate, das ist nichts. Nach dieser kurzen Zeit hatte sie gerade einmal festgestellt, dass sie weiterleben konnte. Ein Teil der Umgebung erwartete aber längst, dass sie wieder funktionierte, nicht ständig darüber sprach.

Trauernde werden leicht unsichtbar, wenn wir nicht aufpassen. Dann ziehen sie sich zurück, um niemandem zur Last zu fallen. Oder sie lächeln und fragen sich innerlich, was mit ihnen nicht stimmt, dass sie immer noch so traurig sind. Dabei brauchen Trauernde vor allem Nähe und Vertrauen. Sie müssen die Erfahrung machen, dass es Menschen gibt, die sie auch in diesem erbärmlichen Zustand gut aushalten und die bereit sind, immer und immer wieder mit ihnen zu sprechen. Aber wie soll das gehen, wenn wir nicht über den Tod reden können?

Wir sollten mehr über den Tod sprechen, um dieses Tabu für die nächste Generation zu brechen

Mit anderen Erwachsenen über den Tod zu sprechen, ist für viele Menschen schon schwierig genug. Kindern dieses Thema zu erklären, ist noch ein wenig herausfordernder, gleichzeitig aber noch wichtiger. Kinder haben nämlich ein sehr feines Gespür dafür, wenn Erwachsene nicht über ein Thema sprechen wollen. Dann füllen sie die Lücken mit eigenen Vorstellungen, die nicht selten noch gruseliger sind als die Wirklichkeit. Denn wenn die Erwachsenen das Thema vermeiden, dann muss es ja wirklich etwas unvorstellbar Schlimmes sein …

Kinder wollen ihre Eltern nicht unnötig belasten. Wenn sie merken, dass ein Gesprächthema für die Erwachsenen zu unangenehm ist, dann vermeiden sie es lieber. Und lernen selbst, über den Tod zu schweigen. Auf diese Weise geben wir das Tabu von Generation zu Generation weiter. Auch hier hilft Reden. Eine kindgerechte Sprache und ein entspannter Umgang mit dem Thema kann das Tabu nach und nach auflösen. Altersgerechte Bücher rund um das Thema Tod sind eine große Hilfe, um mit Kindern über dieses schwierige Thema zu sprechen. Meine 3 liebsten Kinderbücher zu Tod und Trauer habe ich hier vorgestellt.

Wir sollten mehr über den Tod sprechen, weil wir damit würdevolles Sterben ermöglichen

Jeder Mensch soll in Würde und so weit wie möglich nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen sterben dürfen. Das ist das Ziel der Hospizarbeit und es sollte meiner Ansicht nach auch ein Ziel der ganzen Gesellschaft sein. Leider wurde das Sterben in den letzten 100 Jahren immer mehr in die Krankenhäuser und Altenheime verlegt. Dort fand es nicht selten in Abstellkammern oder Badezimmern statt, abgegrenzt von der Außenwelt, die sich nicht mit dem Tod beschäftigen wollte.

Zum Glück ist hier schon vieles besser geworden. Viele Krankenhäuser und Pflegeheime haben inzwischen längst eine würdevollere „Sterbekultur“ entwickelt und kümmern sich sehr gut um die Sterbenden. Hinzu kommen die ambulante Angebote von Palliativteams und Hospizvereinen, sodass Sterben zu Hause möglich wird. Durch diese Maßnahmen können immer mehr Menschen würdig, friedlich und nach ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen sterben.

Aber es sind noch längst nicht alle. Es gibt immer noch viel zu viele Menschen, die alleine und unbeachtet sterben, obwohl das gar nicht nötig wäre. Die an Schmerzen oder Atemnot leiden, die eigentlich gut behandelt werden könnten. Die im letzten Moment in Krankenhäuser eingeliefert werden, obwohl das Sterben längst nicht mehr zu verhindern ist. Die in ihrer letzten Lebensphase von Stress und Panik umgeben sind statt von Liebe und Geborgenheit.

Es ist noch viel zu tun! Und der Beginn davon ist das Sprechen über den Tod. Der Austausch über die Wünsche, Ängste und Möglichkeiten.

Lasst uns damit loslegen!

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