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Was ist Gendern?

blauer Hintergrund, Sprechblasen mit Fragezeichen, Schrift "Was ist Gendern?"

Was ist Gendern und welche Varianten gibt es? Hier erfährst du es genau.

Gendersprache wird oft diskutiert, aber selten klar definiert. Was ist Gendern? Diese Frage beantworte ich heute für dich.

Gendern (gerne auch als Gender-Gaga verunglimpft) ist seit Jahren immer wieder ein großes Thema. Jede:r scheint eine Meinung dazu zu haben, aber nicht immer stimmen die Informationen dahinter. Was ist Gendern also? Gendern bedeutet, in der Sprache Formulierungen zu finden, bei denen sich möglichst alle Geschlechter repräsentiert fühlen. Man spricht deshalb auch von gendergerechter Sprache, geschlechtergerechter Sprache oder geschlechtersensibler Sprache.

Es gibt viele unterschiedliche Formen des Genderns. Wusstest du zum Beispiel, dass auch die Doppelnennung („Leserinnen und Leser“) schon zur geschlechtersensiblen Sprache gehört? Das Gendersternchen ist zum Symbol des Genderns geworden, aber dir stehen noch viele weitere Formen zur Verfügung.

Was ist Gendern und welche Formen gibt es?

Lange Zeit war das generische Maskulinum (zum Beispiel „Kunde“ oder „Lehrer“) die übliche Form, mit der auch weibliche Personen mitgemeint sein sollten. Spätestens seit den 1960er-Jahren (in einigen Aspekten schon sehr viel früher) gibt es jedoch Bestrebungen, Frauen (und später auch nicht-binäre Geschlechter) in der Sprache abzubilden. Die Genderdebatte ist also alles andere als neu, aber sie hat in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren:

  • Doppelnennung: „Kundinnen und Kunden“, „Lehrerinnen und Lehrer“
  • Wechselnennung: mal „Kundinnen“, mal „Kunden“; mal „Lehrerinnen“, mal „Lehrer“
  • Neutralformen: „Kundschaft“, „Lehrperson“
  • Binnen-I: „KundInnen“, „LehrerInnen“
  • Unterstrich (auch Gender Gap genannt): „Kund_innen“, „Lehrer_innen“
  • Doppelpunkt: „Kund:innen“, „Lehrer:innen“
  • Gender-Sternchen: „Kund*innen“, „Lehrer*innen“
  • De-e-System (noch nicht weit verbreitet): „Kunderne“, „Lehrerne“

Gemeinsam ist all diesen Formen, dass sie das reine generische Maskulinum vermeiden. Trotzdem gibt es große Unterschiede. Zum Beispiel werden bei einigen dieser Formen auch Menschen berücksichtigt, die sich nicht als Mann oder Frau definieren. Die Sonderzeichen (Unterstrich, Sternchen oder Doppelpunkt) sollen für diese Personen stehen.

Was ist Gendern, wenn man diese Formen betrachtet? Genau genommen gehören alle Varianten dazu. In der allgemeinen Wahrnehmung wird Gendern oft auf Formen mit Sonderzeichen reduziert, obwohl es tatsächlich alle genannten Formen umfasst.

Welche Genderform sollte ich verwenden?

Es gibt bisher keine einheitliche Form des Genderns. Jede Person und jedes Unternehmen muss deshalb selbst entscheiden, welche Form am besten zu den eigenen Werten und zur Zielgruppe passt. Das Gendern in jeder Form hat eine Aussage und eine Außenwirkung. Und es wird immer Leute geben, die damit nicht einverstanden sind.

Wichtig zu wissen ist allerdings: Auch das Nicht-Gendern hat eine Aussage. Wer heute im eigenen Internetauftritt oder in der Ansprache der Leserschaft nur das generische Maskulinum verwendet, sagt etwas über die eigene Zielgruppe aus und zeigt sich selbst (je nach Lesart) als konservativ oder wenig reflektiert. Eine „normale“ Form der Sprachverwendung gibt es in diesem Bereich schon lange nicht mehr. Auch das Nicht-Gendern zieht bestimmte Personen an und schreckt andere ab.

Ich empfehle deshalb dringend, diese Entscheidung bewusst zu treffen und nicht einfach auszusitzen. Als grundsätzliche Orientierung hilft vielleicht diese Faustformel:

  • Je männlicher, älter und/oder konservativer deine Zielgruppe ist, umso eher solltest du zu Formen greifen, die weiter oben in meiner Liste stehen. Die Doppelnennung und das Binnen-I sind auch in diesen Zielgruppen bekannt und eher akzeptiert.
  • Je weiblicher, queerer, jünger und/oder progressiver deine Zielgruppe ist, umso weiter unten in der Liste kannst du dich bewegen. Das De-e-System ist allerdings nur dann empfehlenswert, wenn sie in deiner Zielgruppe ganz sicher bekannt ist oder du sehr bewusst aktivistisch tätig werden möchtest.

Gut zu wissen: Da der Genderstern in einigen Personengruppen zum Symbol für die Ablehnung von „Gender-Gaga“ geworden ist, ruft er mehr Ablehnung hervor als der Doppelpunkt oder der Unterstrich, obwohl die Verwendung fast gleich funktioniert und auch die Symbolik sehr ähnlich ist. Das ist einer der Gründe, aus denen ich in meinem Blog den Doppelpunkt statt des Sternchens verwende.

Welche Vorteile hat Gendern?

Sprache hat Macht. Sie kann gute und schlechte Emotionen auslösen, inklusiv oder ausschließend wirken. Die bewusste Verwendung von geschlechtersensibler Sprache hat viele Vorteile:

  • Sichtbarkeit von Frauen und queeren Menschen: Viele Studien haben gezeigt, dass man bei rein männlichen Formen zuerst an Männer denkt und höchstens im zweiten Schritt an Frauen. Deutlich wird das zum Beispiel, wenn du „Prof. Huber“ liest. Selbst jetzt, wo du dich gerade mit der Sichtbarkeit verschiedener Geschlechter beschäftigst, hast du dir wahrscheinlich einen Mann vorgestellt und keine Frau. Indem man geschlechtersensible Sprache verwendet, werden auch andere Geschlechter sichtbar.
  • Identifikation deiner Zielgruppe: Wenn du als Unternehmen, Verein oder in einer ähnlichen Funktion Texte veröffentlichst, möchtest du, dass die Leser:innen sich angesprochen fühlen und mit dem Textinhalt identifizieren können. Vielen Frauen und queeren Menschen fällt es leichter, sich mit geschlechtergerechten Sprachformen zu identifizieren und damit auch mit deinen Texten.
  • Respekt und Toleranz: Einige der Gender-Formen (insbesondere Neutralformen und Varianten mit Sonderzeichen) schließen bewusst Menschen ein, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren. Das zeigt Respekt und macht auch diese Menschen sichtbar.
  • Förderung der Geschlechtergerechtigkeit: In vielen Bereichen unserer Gesellschaft ist noch einiges zu tun, um eine echte Gleichstellung und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zu erreichen. Sprache kann beeinflussen, wie wir unsere Welt verstehen. Das Gendern kann deshalb dazu beitragen, die Geschlechtergerechtigkeit zu fördern.
  • Klarheit in der Sprache: Rein männliche Formen haben immer zwei Bedeutungen. „Kollegen“ kann entweder nur männliche Kollegen meinen oder eine Gruppe von Kolleg:innen aller Geschlechter. Mit einer geschlechtersensiblen Sprache hebt man diese Doppelbedeutung auf. Welche Personengruppe gemeint ist, geht dann klar aus dem Text hervor.

Welche Nachteile hat Gendern?

Das Gendern polarisiert und ist für viele ein emotionales Thema. Leider wird es auch teilweise als politisches Thema benutzt. Das geht mit einem unschönen Nachteil einher: Wer geschlechtergerechte Sprache benutzt, bekommt immer wieder Gegenwind und Kritik von Gender-Gegner:innen. Das ist ziemlich unangenehm und kann verunsichernd wirken.

Wenn das passiert, solltest du dir klar machen, dass die Befürworter:innen der Gendersprache meist stiller sind und sich nicht so lautstark zu Wort melden. Gerade diesen stilleren Gruppen tut Respekt und Sichtbarkeit ganz besonders gut. Warum ich mich selbst hier im Blog um geschlechtersensible Sprache bemühe, habe ich hier schon einmal beschrieben.

Weitere Nachteile der Gendersprache sind Einschränkungen in der Übersichtlichkeit, Lesbarkeit und „Schönheit“ der Texte. Ich finde viele Genderformen selbst nicht besonders schön oder praktisch, auch wenn ich das Gejammer über Unlesbarkeit meistens völlig übertrieben finde. Es stimmt: Texte werden nicht schöner und einfacher durch die Gendersprache. Aber vieles davon ist einfach Gewohnheit. Und am Ende sind mir die dahinterstehenden Werte wichtiger als ein mögliches kurzes Stolpern im Text.

Noch etwas: Häufig wird als Nachteil des Genderns genannt, dass es nicht barrierefrei sei. Dass zum Beispiel blinde Menschen Probleme haben können, wenn sie sich Texte vorlesen lassen. Oder dass es für Menschen anderer Muttersprache noch schwieriger werden kann, Deutsch zu lernen. Beide Argumente sind nicht völlig aus der Luft gegriffen, werden aber häufig stark übertrieben. Darüber habe ich schon einmal hier geschrieben.

Welche Regeln gelten für das Gendern in der Rechtschreibung?

Bisher sind Genderformen mit Sonderzeichen (Doppelpunkt, Unterstrich oder Sternchen) in der Rechtschreibung nicht vorgesehen. Auch das Binnen-I ist momentan nicht Teil der Rechtschreibregeln.

Das ist auch nicht verwunderlich, denn Sprachveränderungen können unabhängig von Rechtschreibregeln entstehen. Sprache ist dynamisch. Ständig kommen neue Wörter, Wortbedeutungen oder Sprachformen dazu und alte verschwinden. Das gehört zur normalen Sprachentwicklung. Rechtschreibregeln werden dagegen nur sehr selten geändert, orientieren sich dann aber (auch) an den Sprachgewohnheiten. Im Beispiel der geschlechtergerechten Sprache bedeutet das: Wenn sich mit der Zeit eine bestimmte Form des Genderns bewährt und weit verbreitet genutzt wird, findet sie früher oder später Eingang in die Rechtschreibregeln.

Übrigens bist du von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht verpflichtet, Rechtschreibregeln einzuhalten. Es kann gute Gründe geben, an der einen oder anderen Stelle von den Regeln abzuweichen. Respekt, Geschlechtergerechtigkeit und Identifikation der Zielgruppe gehören für mich definitiv zu solchen guten Gründen. Zur Frage, wie wichtig Rechtschreibung ist (und warum man dabei trotzdem nicht perfektionistisch sein muss), habe ich hier schon einmal geschrieben.

Rechtschreiblich völlig unbedenklich sind übrigens Doppelnennungen und neutrale Formen. Wer Bedenken im Bezug auf die Rechtschreibung hat, kann also diese Formen nutzen.

Übers Gendern hinausdenken: inklusive Sprache

Die geschlechtergerechte Sprache ist Teil eines noch größeren Konzepts: der inklusiven Sprache. Gemeint sind damit Ausdrucksweisen, die so diskriminierungsfrei wie möglich sind. Dazu gehört zum Beispiel der Verzicht auf veraltete Rollenklischees oder auf Wörter, die von den so bezeichneten Personengruppen als Beleidigung empfunden werden. Dabei geht es nicht nur um Geschlechter, sondern um viele weitere Themen, zum Beispiel Rassismus oder Behindertenfeindlichkeit. Auch die Themen Leichte Sprache oder Einfache Sprache können eine Rolle spielen. Ein großer und gar nicht so einfacher, aber gleichzeitig spannender und bereichernder Themenkomplex.

Ich liebe die Sprache und bin tief überzeugt von ihrer Gestaltungsmacht. Wie wir sprechen und schreiben, kann unser eigenes Weltbild und auch das anderer Menschen verändern. Es kann Probleme sichtbar machen und Lösungsideen anbieten, auch wenn diese noch nicht perfekt sein mögen. Ich finde: Es lohnt sich, die eigene Sprache immer wieder unter die Lupe zu nehmen und an die eigenen Werte anzupassen. Bist du dabei?

 

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Das De-e-System hat ein m.E. einen großen Vorteil gegenüber den anderen Varianten: Es erlaubt uns, auch bei einzelnen Personen über diese zu sprechen, ohne deren Gender offenbaren zu müssen.
    Warum ist das wichtig? In den progressiven Kreisen des englischsprachigen Raumes gehört es bspw zum guten Ton „my partner“ zu sagen, anstatt „my husband/wife“ oder „boy-/girlfriend“, weil dies queeren Menschen ermöglicht, unkompliziert über ihre Beziehungen zu sprechen ohne sich outen zu müssen und damit ein inklusiveres Umfeld schafft.

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    • Ja, das ist tatsächlich ein sehr großer Vorteil. Für mich ist es momentan trotzdem noch nicht praktikabel, weil es (für mich, aber auch für die Menschen, mit denen ich kommunizieren will) noch extrem fremd und kompliziert ist. Ich bin aber sicher, dass es in Zukunft auf genau so eine Form hinausläuft, in der die Geschlechternennung nicht intensiviert, sondern reduziert wird. Das ist der nächste logische Schritt, der viele Probleme mit dem Gendern lösen könnte. Aber momentan braucht es noch eine sehr spezifische Zielgruppe, damit die Kommunikation mit einem solchen System funktioniert.

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