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Bauernproteste: Ich mache mir Sorgen

Von den Bauernprotesten und der Doppelmoral in der Außenwahrnemung

Am letzten Montag war ich in unserem Dorf spazieren. Es war klirrend kalt, aber wunderschöner Sonnenschein. Die Straßen waren noch leerer als sonst, am Weiher kreuzte ein Eisvogel meinen Weg. Aber die Stimmung war gerade wegen dieser Idylle unheimlich. Im Nachbardorf gab es eine lange Wagenkolonne wegen der Bauernproteste. Hier bei uns war alles still, aber der Wind trug ständig aus unterschiedlichen Richtungen das Hupen von Traktoren und LKWs heran und brachte eine Idee der aufgeheizten Stimmung mit. Diese ferne Geräuschkulisse begleitete mich etwa eine Dreiviertelstunde lang, auf dem ganzen Spaziergang, und verursachte eine ganz seltsame Atmosphäre. Als würde man die ganze Zeit weit entfernt im Wald die Hörner der Orks hören. Gut, ich gebe zu: Das ist wohl eine Assoziation, die nur LARPer haben.

Die Proteste beschäftigen mich gerade sehr. Sie sind lästig und unangenehm, aber das dürfen sie auch sein. Darum geht es bei Demos und Protesten ja. Wenn man niemandem auffällt und zunahetritt, bewegt man auch nichts. Aber hier laufen Dinge in eine ungute Richtung, sowohl bei den Protesten selbst als auch bei den Reaktionen darauf, und zwar ganz unabhängig von den Forderungen und Inhalten.

Sorge Nr. 1: Wer geht da gemeinsam auf die Straße?

Meine erste Sorge betrifft die Leute, die da gerade zusammen auf die Straße gehen. Rechte und Extremisten haben sich den Protesten vom ersten Tag an angeschlossen und der Widerspruch dagegen ist doch eher verhalten. Von der AfD über den Dritten Weg bis zu Querdenkern und Reichsbürgern sind da 50 shades of brown unterwegs und bringen ihre Themen in die Proteste mit ein. Das ist sehr ungut, nicht zuletzt auch für die teilweise sicher berechtigten Anliegen der Landwirt:innen.

Sorge Nr. 2: die durchscheindende Gewaltbereitschaft

Die zweite Sorge (die wahrscheinlich zum Teil mit der ersten einhergeht) betrifft die Gewaltbereitschaft, die an einigen Stellen durchscheint. Ich finde das Recht auf Demonstrationen und Proteste wirklich wichtig. Aber für mich ist bei Galgen als Symbolik eine Grenze überschritten. Und bei dem Mob, der Habecks Fähre gestürmt hat, erst recht.

Sorge Nr. 3: Doppelmoral in der Wahrnehmung von Klima- und Bauernprotesten

Die dritte und vielleicht größte Sorge betrifft die Doppelmoral, mit der gar nicht so wenige Leute die Proteste bewerten. Die gleichen, die bei Klimaprotesten geifernd nach härterem Durchgreifen verlangen, „Terrorismus“ schreien und vom Verprügeln und Überfahren fabulieren, feiern jetzt die Landwirt:innen als Helden, die sich endlich gegen die böse Regierung auflehnen.

Dort wie hier werden Straßen blockiert, im Falle der Bauernproteste sogar viel umfassender und wirkungsvoller. Dort wie hier gibt es Staus und Einschränkungen, teils mit schweren Folgen. Bei den Bauernprotesten letzte Woche gab es einen Toten durch einen Auffahrunfall im Stauende, mehrere verletzte Polizeibeamte (und auch Protestierende) und es läuft eine Anzeige, weil 30 Ärzt:innen und Pflegekräfte durch die Blockaden nicht in ihr Krankenhaus kamen. Trotzdem ist das ja etwas ganz anderes als damals, als dieser Rettungswagen wegen der Klimademo im Stau steckenblieb, nicht wahr?

Das Versammlungsrecht ist wichtig – für alle

Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut in unserer Demokratie. Und Proteste sollen und dürfen unangenehm werden, das gehört dazu und ist für mich völlig in Ordnung, solange gewisse rechtliche Rahmenbedingungen eingehalten werden.

Auch wenn es teilweise echt ätzend ist, nehme ich die Einschränkungen durch Bahnstreiks, Bauernproteste und Klimademos gerne hin. Weil es wichtig ist.

Das gilt dann aber für alle gleichermaßen und nicht nur für die Themen, die mir zufällig sympathisch sind.

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