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Naturnah gärtnern – aber als Ausrede

Titelbild Naturnah Gärtnern

Naturnah gärtnern bedeutet häufig, Dinge NICHT zu tun.

Ich arbeite wirklich gerne im Garten. Ich zupfe und mähe und schneide und grabe und pflanze mit Freude. Manchmal. Nun haben wir aber ein ziemlich großes Grundstück mit altem Baumbestand und jeder Menge Ecken, die zugewuchert sind, wenn man sich nur einmal umdreht. Gleichzeitig haben mein Liebster und ich nicht nur Jobs, Haushalt, Freunde und Familie, sondern auch jede Menge ziemlich zeitaufwendiger Hobbys. Das Gärtnern ist nur eines davon. Und das reicht nicht mal ansatzweise aus, um mit dem Wachstum Schritt zu halten und einen rundum hübsch gepflegten Garten zu erzeugen.

Macht aber nichts, denn mit den richtigen Prioritäten und ausreichend Widerstandskraft gegen nachbarliches Naserümpfen wird aus einem ungepflegten Garten ziemlich schnell naturnahes Gärtnern. Was ich darunter verstehe und warum ich das gut finde, erzähle ich in diesem Text.

Naturnah gärtnern für einen pflegeleichten Garten

Ich bewundere bunte Bauerngärten und kunstvoll arrangierte Blumen- oder Gemüsebeete wirklich sehr. Aber ich kann und will die Zeit und Energie dafür nicht aufbringen, jedenfalls nicht auf ganzer Fläche. Der Garten muss also pflegeleicht sein. Dafür gibt es im Grunde nur zwei Möglichkeiten:

Man kann entweder größere Bereiche des Gartens schottern oder pflastern und dem Unkraut mit Pestiziden zuleibe rücken. Definitiv keine Option für uns.

Oder man kann einen Teil des Gartens mehr oder weniger sich selbst überlassen, den eigenen Perfektionismus ignorieren und die Arbeit dadurch auf ein Minimum zu reduzieren. Damit kommt man dann schon in die Nähe von naturnahem Gärtnern. Jede Chemikalie, die ich NICHT in den Garten werfe, ist gut für die Umwelt. Und jede verwilderte Ecke bietet Tieren und Pflanzen ein Zuhause und vergrößert damit die Vielfalt.

Nur die Harten bleiben im Garten

Grundlage unserer Vorstellung von naturnahem Gärtnern ist, dass die Pflanzen in unserem Garten mit wenig Chichi auskommen müssen. So leid es mir tut: Pflanzen, die hohe Ansprüche an Boden, Dünger, Rückschnitt oder sehr regelmäßiges Gießen stellen, gehen bei uns ein. Übrig bleiben die Pflanzen, die mit den Gegebenheiten vor Ort gut zurechtkommen. Bei uns sind das zum Beispiel Sonnenblumen, Flieder, Ringelblumen, Rittersporn, Erdbeeren, Himbeeren, Goldrute, Akelei, verschiedene Gewürzkräuter und Kapuzinerkresse. (Und natürlich jede Menge Unkraut, aber das bekommt einen eigenen Absatz.)

Wir nehmen also in Kauf, dass frisch gekaufte oder mühsam gezogene Pflanzen vertrocknen, verkümmern oder von Schnecken gefressen werden. Dafür müssen wir aber bei den übrigen Pflanzen nur wenig Mühe und vor allem keine Chemikalien einsetzen. Das ist die Sache wert, finde ich. Häufig genug handelt es sich bei diesen hartgesottenen Pflanzen dann auch um heimische Arten, die Bienen und anderen Insekten Nahrung spenden.

Extrapflege für Lieblingspflanzen und kleinere Bereiche

Wenn der Großteil des Gartens nur wenig Aufmerksamkeit braucht, dann bleibt für einige kleinere Bereiche mehr Zeit übrig. Dann können wir an der lila Rose herumzupfen, der Pfingstrose eine Extraportion Dünger gönnen, den Blauregen liebevoll um die Pergola wickeln und im Hochbeet Pflücksalat und Radieschen züchten.

Diese überschaubaren Bereiche mit verstärkter Aufmerksamkeit werden von Jahr zu Jahr ein bisschen größer, während wir an anderer Stelle weiter Arbeit reduzieren und so den Garten an unsere Wünsche und Bedürfnisse anpassen.

Es gibt also Bereiche des Gartens, in denen es das ganze Jahr über blüht und meistens auch ziemlich adrett aussieht. Es gibt Blumenbeete, Obstbäume, ein wenig Gemüse und jede Menge Küchenkräuter. Und dann eben andere, bei denen wir die Wildnis nur eindämmen und ansonsten willkommen heißen.

Die Clematis kommt gut mit der reduzierten Aufmerksamkeit klar.

Unkraut gibt es nicht – okay, fast nicht

Wusstest du, dass man Brennnesseln als Suppe und „Spinat“ kochen kann und dass ihre Samen essbar sind? Außerdem werden sie in der Pflanzenheilkunde als harntreibendes und entzündungshemmendes Mittel eingesetzt. Und sie sind die wichtigste Nahrungsquelle für Raupen verschiedener Schmetterlingsarten. Von wegen Unkraut!

Solche positiven Eigenschaften haben sehr viele Wild- und Unkräuter. Deshalb bekommen sie in unserem Garten Platz und dürfen in verschiedenen Ecken wachsen, wie sie es für richtig halten.

Ganz ignorieren kann man das Unkraut natürlich nicht. Brennnesseln können locker zweieinhalb Meter hoch werden und regelrechte Wälder bilden, wenn man sie lässt. (Ja, ich habe das ausprobiert.) Giersch macht alles andere im Umkreis nieder und verbreitet sich außerdem im ganzen Viertel, wenn man nicht wenigstens die Blüten rechtzeitig abschneidet. Wir drängen das Unkraut also zurück und dämmen es ein. Aber wir haben nicht den Anspruch, es vollständig loszuwerden.

Nur diese fiesen wilden Brombeerranken, die an jeder Ecke wieder hervorkommen und statt Früchten umso mehr Stacheln tragen, die wäre ich gerne komplett los. Ich arbeite daran, mit überschaubarer Hoffnung.

Naturnahes Gärtnern schafft ein Paradies für Tiere

Da wir viele Ecken des Grundstücks einfach in Ruhe lassen, fühlen sich dort die verschiedensten Tiere wohl. Hier wohnen Igel und Eichhörnchen, es gibt Vogelnester, Wildbienen, Ameisen, Frösche und Schmetterlinge.

Weil wir Tiere im Allgemeinen ziemlich super finden, versuchen wir, ihnen zusätzlich Raum zur Verfügung zu stellen. Wir haben Insektenhotels, lassen in einigen Ecken Laubhaufen für Igel und Co. liegen und haben einen gut bewohnten Fledermauskasten aufgehängt. Außerdem achten wir darauf, dass das ganze Jahr über viele heimische Arten blühen, um genug Nahrung zu bieten.

Leider gibt es in unserem Garten nicht nur flauschige Hummeln und niedliche Igel, sondern auch Schnecken. Jede Menge, wenn es blöd läuft. Natürlich könnten wir jetzt Schneckenkorn streuen, Bierfallen aufstellen oder die Schnecken mit der Hacke zerteilen, wo wir sie finden. Das wollen wir aber nicht. Wir halten sie aus dem Hochbeet fern, ziehen Jungpflanzen geschützt vor und setzen ansonsten auf Pflanzen, die die Schnecken eher nicht mögen. Wenn ich Schneckeneier finde, werfe ich sie in die Biotonne oder lasse sie für die Vögel offen liegen. Schnecken aus den Beeten werfe ich in die wilderen Gartenbereiche, in der Hoffnung, dass es ihnen auch dort gefällt. Außerdem fressen unsere Hühner die eine oder andere Schnecke weg. Ansonsten gilt die Regel von oben: Nur die Harten bleiben im Garten.

„Hauptsache grün“ statt englischem Rasen

Vor vielen Jahren haben wir uns zusammen mit Bekannten einen Vertikutierer gekauft. Ihr wisst schon, diese Geräte, die Moos aus der Wiese entfernen sollen. So ein Ding benutzt man ja nur ein-, zweimal im Jahr, da braucht nun wirklich nicht jeder sein eigenes, war der Plan. Tatsächlich haben wir den Vertikutierer nur ein einziges Mal kurz verwendet, und auch das nur auf kleiner Fläche. Er rupfte das Moos aus und übrig blieb Brachland. Wir säten Gras an, das kümmerlich wuchs, bis es vom Moos eingeholt wurde.

Ein guter Teil unserer Wiese liegt nämlich dauerhaft im Schatten und ist damit immer ein bisschen feucht. Der Boden, der sich in etwa 20 Zentimeter Tiefe in Lehm und Stein verwandelt, tut sein Übriges. Hier wächst Moos ganz hervorragend und Gras eher so mittelgut. Um das zu verhindern, müssten wir jedes Jahr große Teile der Wiese abtragen und neu ansäen. Ganz ehrlich: Das ist den Aufwand nicht wert, nicht mal im Ansatz. Dieser Bereich der Wiese besteht nun also aus wunderschönen hellgrünen weichen Moospolstern mit ein wenig Gras und Kräutern dazwischen. Und die Bekannten, die eher zum Typ „englischer Rasen“ gehören, haben einen hübschen Vertikutierer, der ihnen, soweit ich weiß, seit vielen Jahren gute Dienste leistet.

In den etwas lichteren Bereichen der Wiese gibt es weniger Moos, dafür aber jede Menge Kräutlein und Blümchen. Hier kann man sich jederzeit Spitzwegerich gegen Mückenstiche abzupfen oder Löwenzahn, Gänseblümchen und Schafgarbe für Kräuterbutter ernten. Da wachsen Sauerampfer und Margariten und Klee und ein kleines bisschen Wiesenschaumkraut. Ich liebe das so und würde es niemals gegen einen Rasen eintauschen. Dass eine solche Wiese viel weniger Arbeit macht und Nahrung für jede Menge Insekten bietet, sind schöne Nebeneffekte. Nur die Disteln, die haben nichts in der Wiese zu suchen und werden ausgestochen, wenn sie sich doch wieder irgendwo verbreiten.

Übrigens: In eine bunte Wiese kann man hervorragend Blumenzwiebeln von Frühblühern einsetzen. Krokusse, Schneeglöckchen und Winterlinge blühen dann, bevor das Gras so richtig in die Wachstumsphase kommt.

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