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Ist „Menschen mit Menstruation“ ein Synonym für „Frauen“?

Binden, Tampons und Aufschrift: Ist „Menschen mit Menstruation“ ein Synonym für „Frauen“?

In den letzten Jahren lese ich immer häufiger Ausdrücke wie „Menschen mit Menstruation“ oder „Menschen mit Gebärmutter“. Vor allem in Artikeln, die sich an ein junges Publikum wenden, finden sich solche Begriffe. Und so sicher wie das Amen in der Kirche toben darunter die Kommentator:innen, die verlangen, man solle gefälligst „Frauen“ schreiben, wie es sich gehört.

Ich finde das nicht. Gerade beim Ausdruck „Menschen mit Menstruation“ oder „menstruierende Menschen“ kann man recht gut erklären, warum das eben nicht dasselbe ist:

Natürlich ist Menstruieren eine typisch weibliche Angelegenheit. Und trotzdem kann man „Weiblichsein“ und „Menstruieren“ alles andere als gleichsetzen:

  1. Die Zeit, in der Frauen menstruieren, ist bekanntermaßen begrenzt. Sie bezieht sich auf etwa 30 bis 40 Jahre im Leben einer Frau. So mit 50 ist Schluss mit der Menstruation, was viele Frauen sehr feiern. Statistisch gesehen folgen dann noch über 30 Jahre ohne Regelblutung. Ein wirklich großer Teil der Frauen menstruriert also nicht mehr. All diese sollen und müssen in einem Artikel über Menstruation also eher nicht angesprochen werden.
  2. Dazu kommen gar nicht wenige Frauen, die aus anderen Gründen keine Menstruation haben. Zum Beispiel, weil ihre Gebärmutter entfernt werden musste. Oder weil sie Verhütungsmittel benutzen, durch die die Periode ausbleibt. Oder weil sie durch bestimmte Krankheiten nicht menstruieren. Oder – der Klassiker – weil sie schwanger sind oder stillen. Zu den vielen Frauen nach den Wechseljahren kommen also noch mehrere weitere Frauengruppen, die mit dem Begriff nicht angesprochen werden sollen.
  3. Bei vielen Mädchen beginnt die Menstruation schon mit 11 oder 12 Jahren, also in einem Alter, in dem man sie eher noch nicht als „Frauen“ bezeichnet. Hier haben wir also menstruierende Menschen, die keine Frauen, sondern Kinder oder Jugendliche sind.
  4. Und dann gibt es natürlich noch Transmänner oder nichtbinäre Personen, die menstruieren. Sie einfach aufgrund ihrer Blutung kategorisch als Frauen zu bezeichnen, wäre doch sehr engstirnig und ignorant.

Es gibt also auf der einen Seite viele, viele Frauen, die nicht menstruieren. Und auf der anderen Seite gibt es Personen anderen Geschlechts sowie Kinder, die eine Menstruation haben. Wenn ich also gezielt über Menschen sprechen möchte, die eine Monatsblutung haben (zum Beispiel weil ich über Periodenprodukte schreibe), dann greift der Begriff „Frauen“ zu kurz.

Ist das pingelig? Dazu kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Ich finde es nicht pingelig. Es ist einfach konkreter und nennt die Dinge, um die es geht, beim Namen. Gleichzeitig ist ein solcher Ausdruck inklusiver und das finde ich gut.

Ist es „woke“? Das wird nämlich Menschen, die eine inklusive Sprache verwenden, oft vorgeworfen. Wenn man sich die eigentliche Bedeutung des Begriffs „woke“ anschaut, dann trifft das hier tatsächlich ein Stück weit zu. Der Duden schreibt, woke bedeute „in hohem Maße politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“. Wie das zu einem Schimpfwort werden konnte, ist mir ein Rätsel.

Ist es ideologisch und zwingt anderen Menschen eine sexualisierte, linksgrünversiffte, genderverwirrende Sichtweise auf? Blödsinn. Es ist ein häufig genutzter Winkelzug von Konservativen, Menschen mit neueren Sprachformen (zum Beispiel Gendern oder auch Ausdrücke wie „Menschen mit Menstruation“) eine politische Agenda vorzuwerfen. In den meisten Fällen hat die Wahl solcher Ausdrücke überhaupt nichts damit zu tun. Stattdessen richtet sich eine solche Entscheidung einerseits nach den persönlichen Vorlieben und Sichtweisen der Autor:innen. Und andererseits spielt natürlich die Zielgruppe und ihre Sprachverwendung eine Rolle. Es geht fast nie darum, die Sprache von anderen zu ändern. Sondern darum, die Sprache aufzugreifen, die in der Zielgruppe ohnehin verwendet oder zumindest geschätzt wird. Diejenigen, die also in den Kommentarspalten herumgeifern, gehören schlicht und ergreifend nicht zur Zielgruppe. Und gerade sie haben sehr häufig eine Agenda, nämlich die, anderen Menschen ihren inklusiveren Sprachgebrauch zu verbieten.

Wie siehst du das? Verwirren dich Begriffe wie „Menschen mit Menstruation“? Findest du sie nervig oder sperrig oder eigentlich ganz gut? Ich freue mich über deinen (sachlich und wertschätzend formulierten) Kommentar!

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Menschen sind verunsichert. Der Soziologe Hartmut Rosa beschreibt Moderne als Beschleunigung und ich glaube, diese Perspektive funktioniert in einigen Aspekten sehr gut. Viele gedankliche Strukturen, die Menschen die meiste Zeit ihres Lebens benutzt haben und ihnen eine Vorstellung davon gegeben haben, wie Gesellschaft funktioniert und wo ihr Platz in diesem Gebilde ist, erodieren – und ich glaube, zumindest gefühlt wird dieser Prozess immer schneller.
    Dass es zunehmend üblicher wird, unterdrückten Minderheiten mit Verständnis und Respekt zu begegnen und Wege sucht, für mehr Gleichberechtigung zu sorgen, ist ein wunderbarer Fortschritt und ein bewussterer Sprachgebrauch ist dabei unumgänglich. Aber es ist auch eine Sichtbarmachung der Erosion gefühlter Gewissheiten für viele und deshalb löst dieser Sprachgebrauch entsprechende Ängste aus.
    Das ist aber das Problem derer, die sich durch diesen Sprachgebrauch getriggert fühlen, denn selbst wenn man der Argumentation folgt es wäre ‚einfacher‘ x statt y zu sagen, dann bewertet dieses Argument die sprachliche Bequemlichkeit des Sprechers höher als Inklusion und Respekt – ich verstehe nicht, wie man da mitgehen kann.

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    • Ich glaube, mit dieser Analyse hast du absolut recht (und Hartmut Rosa auch ;)). Es ist anstrengend, es ist verunsichernd und es ist wichtig. Auch bei mir gibt es Bereiche, an denen ich wirklich darum kämpfe, meine Sichtweise weiterzuentwickeln und meine Widerstände abzubauen. Neopronomen fallen mir beispielsweise noch immer schwer, obwohl ich mir Mühe gebe. Aber diese Weiterentwicklung und Bewusstmachung gehört eben dazu, zu einer inklusiveren und respektvolleren Sprache und Gesellschaft. Und bei diesem Beispiel mit den „Menschen mit Menstruation“ spricht ja außerdem auch noch die Logik für eine klarere Ausdrucksweise 😀

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  2. Du sprichst mir aus dem Herzen, liebe Birgit. Es bedarf keiner weiteren Worte.

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