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Klickt doch nicht auf jeden Mist!

Klickt doch nicht auf jeden Mist!

Lasst ihr euch mit emotionalen Kindheitsthemen zum Klicken nötigen? Ich hoffe nicht.

„Jeder, der mit 10 noch kein iPhone hatte, sondern draußen gespielt hat, klickt jetzt mal „Gefällt mir“.“

Diesen Beitrag habe ich heute in den sozialen Medien gesehen. Er hatte über 94.000 Likes. Vierundneunzigtausend!

Diese Masche gibt es in vielen Schattierungen und jedes Mal ärgere ich mich darüber. Warum? Darum:

Billige Klicks für die Anbieter

Aufmerksamkeit ist, wie sich inzwischen herumgesprochen haben dürfte, die Währung der sozialen Medien. Und Aufmerksamkeit misst sich in Klicks, Likes und Kommentaren.

Je mehr Interaktionen es bei einem Beitrag gibt, umso mehr Menschen wird er angezeigt. Und – so ist zumindest der Gedanke – wer klickt, folgt vielleicht auch und kauft idealerweise später. In jedem Fall kann es die Werbeeinnahmen und die Bekanntheit des Unternehmens verbessern.

So funktionieren die sozialen Medien in weiten Teilen. Und weil Unternehmen das wissen, versuchen viele von ihnen, sich die Klicks und Likes auf möglichst billige Weise zu sichern. Zum Beispiel mit einem Thema, das viele betrifft und emotional ist. Emotional sind wir im Bezug auf unsere eigene Kindheit fast alle. Und angesprochen sind beim obigen Satz auch sehr viele Menschen, mindestens alle, die nach 1997 geboren sind. Denn das erste iPhone kam 2007 auf den Markt.

Wer also auf einen solchen Satz reagiert, schenkt irgendeinem random Anbieter billige Klicks und vergrößert dessen Reichweite.

Das wäre ja vielleicht nicht dramatisch, wenn da nicht noch weitere ungute Punkte hinzukämen:

Früher war alles besser – nicht.

WIR haben damals noch im Garten gespielt, während DIE heute nur noch am Handy hängen. Früher Bullerbü, heute Digitalflucht.

Dieser Gedanke ist so falsch wie schädlich.

Ich habe als Kind nicht dauernd im Garten gespielt, obwohl ich kaum technische Geräte zur Verfügung hatte und die Fernsehzeit extrem knapp bemessen war. Viele meiner Klassenkamerad:innen saßen schon in den 90ern viele Stunden lang vor dem Fernseher oder hatten eigene Computer und Spielekonsolen, auf denen sie unbegrenzt spielen durften. Ich habe sehr viel mit Freundinnen telefoniert (am Festnetzttelefon im Treppenhaus), Musik gehört und gelesen. Und natürlich auch draußen gespielt. „Fahrradpferde“ mit der Freundin aus dem Nebenhaus stand damals hoch im Kurs. Aber ich habe meine Kindheit nicht schlammverschmiert und mit roten Wangen im Freien verbracht. Und die meisten von euch auch nicht.

Umgekehrt ist die Vorstellung, dass heutige 10-Jährige nur vor dem iPhone (ausgerechnet!) hängen würden, völliger Quatsch. Natürlich ist die Medienzeit heute größer als in den 80ern oder 90ern. Das hat aber unter anderem damit zu tun, dass viele andere Tätigkeiten sich ins Smartphone verlegt haben. Fernsehen, Telefonieren, Lesen, mit Freund:innen Kontakt halten, Videospielen, Lernen, all das (und noch so viel mehr) findet nicht mehr mit unterschiedlichen Medien statt, sondern mit einem. Das macht einen Teil des Themas aus. Darüber hinaus machen Kinder auch viele andere Dinge. Sie spielen mit Freund:innen (ja, auch draußen), lesen, basteln, puzzlen, singen, machen Blödsinn, lernen und gehen ihren Hobbys nach.

Ja, Kindheit ist heute anders als vor 30, 40 oder 50 Jahren. Das macht sie nicht besser oder schlechter, sondern eben ein bisschen anders. Im Großen und Ganzen noch nicht einmal das.

Wir gegen die – der immerwährende Generationenkonflikt

Klickthemen wie das genannte verstärken die uralte Grenze zwischen den Generationen, die wir endlich mal überwinden könnten.

Sie ziehen eine Grenze wischen UNS, die wir (angeblich) eine zauberhafte, freie, abenteuerliche, medienfreie Draußen-Kindheit hatten, und DENEN, die (angeblich) nichts anderes mehr kennen als das Smartphone.

Warum?

Warum fühlen sich über 94.000 Menschen von diesem „Wir gegen die“ angesprochen?

(Und seit wann bin ich eigentlich in einem Alter, in dem über „die Jugend von heute“ geschimpft wird? Wie konnte das denn passieren?)

Okay, bevor ich mich noch tiefer reinrede, einfach meine Bitte: Klickt so einen Mist nicht. Schenkt Anbietern damit nicht eure teure Aufmerksamkeit (auch nicht durch kritische Kommentare!) und heizt den Generationenkonflikt nicht durch so einen Kleinkram an. Scrollt einfach weiter, wenn ihr so was seht, oder blockiert die Anbieter auf Facebook und Co., wenn sie immer wieder damit nerven.

Danke.

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