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Todesfall: Sollten Kinder mit zur Beerdigung kommen?

Titelbild zum Blogartikel: "Todesfall: Sollten Kinder mit zur Beerdigung kommen?"Kinder und Bestattungen, das passt einfach nicht zusammen, oder? Doch! Unbedingt! Ich kann das Bedürfnis sehr gut verstehen, Kinder vom Thema Tod fernhalten und ihnen so Schmerz ersparen zu wollen. Aber unsere Aufgabe ist eine andere: ihnen zu helfen, einen guten Umgang damit zu finden.

Leider ist das Thema Tod immer noch für viele Menschen ein Tabu. Wenn Kinder beteiligt sind, erst recht. Ich finde: Damit muss endlich Schluss sein! Mit diesem Artikel nehme ich deshalb an der Blogparade „TABU-Talk: Über dieses Tabu möchte ich endlich offen reden!“ von Generose Sehr teil.

Auch Kinder müssen trauern

Eine Bestattung ist eine Familienfeier, wenn auch aus traurigem Anlass. Oft trifft man dort Menschen, die man jahrelang nicht gesehen hat. Und irgendwie tut es auch gut, diesen schweren Gang gemeinsam zu gehen. Nur Kinder fehlen bei dieser Familienfeier leider häufig:

Man versucht, sie vom Thema Tod fernzuhalten.

Möchte ihnen die Beschäftigung damit nicht zumuten.

Traut ihnen nicht zu, damit fertig zu werden.

Möchte sie nicht belasten.

Fürchtet vielleicht, sie könnten die andächtige Atmosphäre stören.

Dabei wird jedoch viel zu oft übersehen, dass auch Kinder automatisch betroffen sind, wenn jemand im engen Kreis stirbt. Das können wir ihnen nicht ersparen. Kinder bekommen mit, dass etwas Schlimmes passiert ist. Sie spüren die Verwirrung, Trauer und Hilflosigkeit der Erwachsenen, können sie aber nur schwer einordnen. Und wenn der oder die Tote ihnen nahestand, empfinden sie auch selbst den Verlust und die Trauer. Dafür brauchen sie Raum, genau wie Erwachsene auch. Die Bestattung ist dafür ein wichtiger Meilenstein.

Warum Beerdigungen wichtig sind

Für uns Erwachsene ist eine Bestattung der letzte Schritt eines gemeinsamen Weges. In den ersten Tagen nach dem Tod einer Person muss die Bestattung organisiert werden und das hält uns ziemlich in Atem. Mit der Beerdigung beginnt die Trauer oft erst richtig.

Die Bestattungsfeier kann aber auch einen Beitrag dazu leisten, später besser mit der Trauer zurechtzukommen: Sie hilft dabei, den Tod zu begreifen und Abschied zu nehmen. Es tut gut, auch diesen allerletzten Weg mit und für die Verstorbenen zu gehen und ihnen den letzten Gang so schön wie möglich zu gestalten. Die Bestattung setzt Marker für die Trauer. Wir werden später vielleicht immer durch ein Lied, eine bestimmte Blume, einen Geruch an die verstorbene Person erinnert. Mit einer schönen Trauerfeier haben wir das Gefühl, der verstorbenen Person noch einmal etwas Gutes zu tun. Und nicht zuletzt ist die Bestattungsfeier auch ein Zusammenkommen von Familie und Freund:innen. Die Unterstützung anderer kann bei der Bewältigung helfen.

Für Kinder ist das nicht viel anders: Auch für sie kann die Beerdigung helfen, sich zu verabschieden und den Tod ein bisschen besser zu verstehen. Diese Möglichkeit sollten wir ihnen geben, insbesondere dann, wenn sie die verstorbene Person gekannt und gemocht haben. Stirbt ein loser Bekannter der Eltern oder eine dem Kind unbekannte Großtante, ist es für das Kind wahrscheinlich nicht so wichtig, dabei zu sein. Bei einer nahestehenden Person sieht das aber anders aus, selbst wenn das Kind noch sehr klein ist.

Wir sind Vorbilder, auch beim Umgang mit dem Tod

Die meisten Kinder haben ein sehr feines Gespür dafür, wenn etwas nicht stimmt. Sie merken, wenn wir Erwachsenen trauern, verzweifelt sind, nicht weiterwissen. Und das verunsichert sie und kann große Angst machen. Nicht zu wissen, was genau passiert ist, macht die Sache oft noch schlimmer als ein offenes, wenn auch schweres Gespräch.

Wenn wir Kinder von den Geschehnissen rund um das Sterben und den Tod ausschließen, kann das sehr ungünstige Folgen haben:

  • Das Kind merkt, dass die Erwachsenen nicht über das Geschehene sprechen wollen, und spricht es deshalb selbst auch nicht mehr an. Dadurch bleibt das Kind aber mit seinen Gefühlen und Sorgen alleine.
  • Die meisten Kinder wollen ihren Eltern gerade in schwierigen Situationen nicht zur Last fallen. Es kann also sein, dass ein Kind jetzt ganz besonders unkompliziert, nett und fröhlich erscheint, um die Eltern zu entlasten. Dadurch kann leicht der falsche (und womöglich fatale) Eindruck entstehen, das Kind hätte gar nicht viel vom Todesfall mitbekommen oder es würde ihm nichts ausmachen.
  • Das Unbekannte wirkt oft noch furchtbarer als das tatsächliche Geschehen. Wenn Kinder nicht zur Bestattung mitkommen dürfen, stellen sie sich möglicherweise etwas ganz Furchtbares vor, das dort passieren könnte. Und das kann richtig Angst machen.

Auch Kinder brauchen einen Abschied. Sie brauchen Unterstützung, Erklärung, Raum zum Trauern und Raum zum Fröhlichsein. Kinder trauern anders als Erwachsene. Sie sind nicht unbedingt die ganze Zeit traurig oder bedrückt, sondern immer nur für kurze Zeit. Im einen Moment können sie verzweifelt weinen und im nächsten wieder ausgelassen spielen. Das bedeutet aber nicht, dass ihre Trauer weniger echt oder weniger tief wäre als unsere.

Kinder brauchen Hilfe dabei, mit dem Tod umzugehen. Das Problem dabei ist bloß, dass auch Erwachsene den Umgang oft nicht gut beherrschen. Aber genau diesen Tabu-Kreislauf gilt es zu durchbrechen. Wir alle werden mit dem Tod konfrontiert, ob wir wollen oder nicht. Helft Kindern so gut wie möglich, mit ihren Emotionen umzugehen und ihre Trauer zuzulassen! Nehmt sie mit auf die Beerdigung und begleitet sie auf ihrem Abschied! Damit unterstützt ihr sie auf ihrem Lebensweg deutlich besser als mit einem Fernhalten, das sowieso nicht funktioniert.

Übrigens: Hier habe ich schon einmal Kinderbücher rund um das Thema Tod und Trauer vorgestellt. Sie können eine große Hilfe sein, um mit Kindern über dieses schwierige Thema zu sprechen.

7 Argumente, Kinder lieber nicht mit auf Beerdigungen zu nehmen (und was ich dazu zu sagen habe)

Natürlich gibt es eine Menge Argumente dafür, Kinder nicht mit auf Beerdigungen zu nehmen, zum Beispiel diese:

1. „Mein Kind soll mich nicht weinen sehen.“

Todesfälle gehören zu den traurigsten Dingen, die wir erleben. Und wenn man traurig ist, weint man nun mal. Auch als Erwachsener. Das ist nicht nur normal, sondern auch unheimlich wichtig. Es wäre doch furchtbar, wenn man stirbt und niemand weint, oder? Kinder dürfen sehen, wenn Erwachsene traurig sind und weinen. Das hilft ihnen, selbst mit ihren Gefühlen umgehen zu lernen, statt sie zu verstecken.

2. „Mein Kind ist noch viel zu klein, das versteht doch gar nicht, was bei einer Bestattung passiert.“

Stimmt, wahrscheinlich versteht es das nicht so richtig. Aber ganz ehrlich: Wir Erwachsene verstehen es doch auch nicht ganz, oder? Ich arbeite seit über 10 Jahren als ehrenamtliche Hospizbegleiterin und habe mich sehr intensiv mit dem Thema Tod beschäftigt. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, alles zu begreifen. Aber jede Berührung mit dem Thema hilft, es wieder ein klein wenig besser zu verstehen. Das gilt auch für Kinder.

3. „Mein Kind ist so sensibel, es würde die Beerdigung nicht verkraften.“

Gerade sensible Kinder sollten mit dem Thema nicht alleine gelassen werden. Das heißt nicht unbedingt, dass sie mit zur Bestattung gehen müssen, wenn es konkrete Bedenken gibt. Aber dann sollte es unbedingt andere Wege geben, einen Abschied zu ermöglichen und über das Thema zu sprechen.

Generell gehen Kinder aber anders mit dem Thema Tod um als Erwachsene. Sie können viel leichter von tiefer Trauer zu unbeschwerter Fröhlichkeit umschalten. Und sie sind unbefangener als wir. Damit sind sie vor Schaden ganz gut geschützt. Natürlich spüren sie die Trauer, und das kann sehr schlimm sein. Aber wenn es um einen geliebten Menschen geht, können wir ihnen die Trauer sowieso nicht ersparen. Dann ist es umso wichtiger, sie zu begleiten.

Umgekehrt kann auch das Ausschließen von der Bestattung Schaden anrichten. Ich kenne eine ganze Reihe von Menschen, die noch als Erwachsene bedauern, dass sie als Kind nicht zur Beerdigung naher Verwandter mitkommen durften.

4. „Ich kann selbst nicht richtig trauern, wenn ich mich bei der Bestattung um meine Kinder kümmern muss.“

Natürlich kann es sein, dass Mama oder Papa sich selbst nicht so tief auf die Bestattung einlassen können, wenn sie dabei auf ihre Kinder schauen müssen. Aber ist das ein Grund, den Kindern diese Möglichkeit gleich ganz zu nehmen? Vielleicht gibt es ja eine Person im Umfeld, die nicht ganz so eng vom Todesfall betroffen ist und sich während der Bestattung um das Kind kümmern kann?

5. „Vielleicht stört mein Kind die Bestattung!“

Ganz echt: Solange es nicht gerade in der Kirche Fußball spielt, sehe ich diese Gefahr nicht. Im Gegenteil: Es kann sehr wohltuend sein, neben Tod und Trauer auch die Lebendigkeit zu spüren, die Kinder verkörpern.

6. „Eine Bestattung ist einfach kein Umfeld für Kinder!“

Ist das wirklich so? Warum? Und sollten wir dann nicht vielleicht etwas ändern, damit auch Kinder an diesen wichtigen Lebenserfahrungen teilhaben können? Die Familientrauerbegleiterin Mechthild Schroeter-Rupieper hat dazu eine ganze Menge toller Ideen, zum Beispiel diese: Besorgt verschiedene bunte Taschentücher und gebt sie den Kindern in ein Körbchen oder eine Tasche. Dann dürfen sie anderen Besucher:innen eines davon anbieten. Ich finde, das ist eine sehr schöne Möglichkeit, Kinder zu beschäftigen, ohne die Würde der Bestattung zu beeinträchtigen.

7. „Mein Kind will aber gar nicht mit zur Beerdigung gehen!“

Das ist das einzige Argument, das ich fast ohne Aber stehen lassen will. Natürlich sollte ein Kind nicht zur Beerdigung gezwungen werden, wenn es nicht dabei sein will. Allerdings solltest du genauer hinschauen: Hat das Kind vielleicht nur Angst vor dem Unbekannten und will dieser ausweichen? Stellt es sich vielleicht etwas Falsches vor? Dann könntest du versuchen, ihm diese Angst behutsam zu nehmen.

Finde dann auf jeden Fall andere Möglichkeiten, dich gemeinsam mit deinem Kind mit dem Thema Tod zu beschäftigen! Ihr könntet zum Beispiel einige Tage nach der Bestattung gemeinsam zum Friedhof gehen und euch alles anschauen.

Fazit

Selbstverständlich sind Kinder unterschiedlich. Lebenssituationen auch. Und Todesfälle ebenfalls. Nicht in jedem Fall wird es die beste Möglichkeit sein, das Kind mit zur Bestattung zu nehmen. Findet gemeinsam eine Lösung, die zu eurer Familie und der Situation passt! Aber mit falscher Rücksichtnahme und dem Versuch, Kinder vom Thema Tod fernzuhalten, erweisen wir ihnen einen Bärendienst. Ich würde immer versuchen, Kindern die Erfahrung der Abschiednahme auf der Bestattung zu ermöglichen.

Wie siehst du das? Schreib mir gerne einen Kommentar!

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Birgit, danke dir für diesen Artikel. Ich unterschreibe jedes Wort und bin sehr froh, dass du dieses Thema hier offen ansprichst. Ich finde, dass Kinder generell unterschätzt werden. Ich glaube, dass sie sehr gut mit allen möglichen Dingen umgehen können, wenn sie EHRLICH damit konfrontiert werden. Also wenn die Erwachsenen ihre eigenen Gefühle nicht verheimlichen oder verstecken, sondern offen damit sind und ihrem Kind erklären, warum sie sich gerade so fühlen und dass es eben nichts mit dem Kind zu tun hat. Das ist nämlich die große Gefahr, wenn Eltern ihre Gefühle vor ihren Kindern verstecken: Die Kinder spüren es und beziehen es auf sich.
    Danke für deine klaren Worte!!

    Alles Liebe, Generose

    Antworten

    • Liebe Generose, genau so sehe ich das auch! Was bei diesem Thema zutrifft, gilt auch für viele andere Bereiche im Umgang mit Kindern. Vielleicht auch mit Menschen generell. Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Blogparade! Viele Grüße, Birgit

      Antworten

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