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Warum wir „Zugehörige“ statt „Angehörige“ sagen sollten – Sprache in der Pflege und Hospizbegleitung

Titelbild zum Blogartikel: Sprache in der Pflege und Hospizarbeit: Warum wir "Zugehöroge" statt "Angehörige" sagen sollten.

Ich bin überzeugt: Es macht einen Unterschied, wie wir uns sprachlich ausdrücken, welche Wörter und Formulierungen wir wählen. Deshalb ist mir inklusive Sprache wichtig und deshalb schreibe ich diesen Text.

Ganz besonders wichtig ist Sprache nämlich überall dort, wo es besonders emotional zugeht. Und das ist in der Pflege und in der Hospizbegleitung ganz sicher der Fall.

Worte können Trost spenden, Vertrauen schaffen und Bindungen stärken. Oder sie können Angst und Sorgen vergrößern, Gräben schaffen und Grenzen ziehen. Deshalb wünsche ich mir gerade in diesen Bereichen einen bewussten und sorgsamen Umgang mit Sprache.

Zum Glück gibt es dafür auch längst ein wachsendes Bewusstsein. Man spricht in der Pflege zum Beispiel nicht von einem „Latz“, sondern von einem „Kleiderschutz“ und man „füttert“ alte oder kranke Menschen nicht, sondern man „gibt ihnen Essen ein“.

Ein weiteres Beispiel für sensibel gewählte Wörter ist der Begriff „Zugehörige“, den ich für sehr wichtig halte. Hier erfährst du, was es damit auf sich hat und warum ich diesen Begriff so mag.

Zugehörige oder Angehörige: Was ist der Unterschied?

In der Medizin, Pflege und Hospizarbeit spielen nicht nur die Patient*innen eine Rolle, sondern auch die Menschen in ihrem Umfeld. Meistens spricht man dabei von „Angehörigen“, doch das greift zu kurz:

Der Begriff „Angehörige“ bezeichnet Menschen, die zur engeren Familie gehören: Eltern, Kinder, Geschwister, Lebenspartner*innen, aber auch Schwiegereltern oder Schwager bzw. Schwägerinnen.

Nach dem Straf- und Zivilrecht gelten Menschen als Angehörige, die in gerader Linie verwandt oder verschwägert sind, und zwar auch dann, wenn zum Beispiel die Beziehung, die zu einem Schwiegerverhältnis geführt hat, nicht mehr besteht.

In der Umgangssprache geht man etwas lockerer mit dem Begriff um. Er kann hier auch andere Familienmitglieder oder auch andere Personengruppen mit einbeziehen. Meistens sind damit trotzdem Personen aus dem direkten familiären Umfeld gemeint.

Der Begriff „Zugehörige“ geht einen anderen Ansatz: Er meint die Menschen, die „zu einer Person gehören“, also ihr enges persönliches Umfeld. Dabei ist es irrelevant, ob es Verwandte sind oder Freund*innen, Nachbar*innen, „Wahlverwandte“, Arbeitskolleg*innen oder Personen aus dem Verein oder der Gemeinde. Es geht bei diesem Begriff mehr um die emotionale Nähe als um den offiziellen Grad der Verbindung.

Zugehörige: Die, die zu jemandem gehören

Wenn es in der Pflege, der Hospizarbeit oder ähnlichen Themenbereichen um das nahe Umfeld eines Menschen geht, dann ist der Verwandtschaftsgrad oft unerheblich. Viel wichtiger sind solche Fragen:

  • Wer steht der kranken oder sterbenden Person nahe?
  • Wen möchte er oder sie um sich haben?
  • Wem vertraut er oder sie?
  • Wer kümmert sich?
  • Wer nimmt Anteil?
  • Wer trauert?

Alle Namen, die bei diesen Fragen auftauchen, sind Zugehörige – egal, in welchem Verwandtschafts- oder Freundschaftsverhältnis sie stehen. Diese Menschen sind es, die in Überlegungen mit einbezogen werden, die unterstützen können und vielleicht auch Unterstützung brauchen.

Nicht alle Angehörigen sind auch Zugehörige

Bisher ging es vor allem darum, mehr Menschen in die Betrachtung mit einzubeziehen. Nicht nur Verwandte, sondern eben all diejenigen, die für eine Person wichtig sind.

Es gibt aber auch noch den umgekehrten Aspekt: Angehörige sind nicht automatisch Zugehörige.

Da könnte zum Beispiel ein Elternteil sein, mit dem seit der Kindheit kein Kontakt besteht. Oder die Schwiegereltern, die sich ständig übermäßig einmischen. Oder die Noch-Ehefrau, während die Beziehung schon längst zerrüttet ist. Oder der Onkel, den man höchstens mal an Weihnachten sieht und mit dem es jedes Mal Streit gibt.

All diese Menschen sind Angehörige. Zugehörige sind sie deswegen aber noch lange nicht.

Häufig sind Zugehörige gleichzeitig Angehörige, aber eben nicht immer. Mit manchen Angehörigen will die betroffene Person vielleicht gar nichts zu tun haben. Umgekehrt sind viele Zugehörige vielleicht gar nicht mit ihr verwandt.

Warum wir von Zugehörigen statt Angehörigen sprechen sollten

In der Pflege, Medizin und Hospizarbeit sollten wir viel häufiger von Zugehörigen statt von Angehörigen sprechen, solange es nicht um rechtliche Belange geht. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Es ist schlicht und ergreifend der passendere Begriff.
  2. Zugehörige“ bezieht mehr Menschen mit ein, die in der aktuellen Situation wichtig sind. Für Nicht-Verwandte kann das sehr tröstlich und wohltuend sein, wenn sie sich dadurch besser gesehen fühlen.
  3. Umgekehrt erkennt man mit diesem Begriff an, dass nicht alle Angehörigen automatisch zum „Inner Circle“ gehören.
  4. Ich empfinde den Begriff „Zugehörige“ als emotionaler und wärmer. Diejenigen, die zu mir gehören, ich mag diese Bedeutung.
  5. Bei diesem Begriff steht der emotionale Bezug im Vordergrund und genau darum geht es ja. „Zugehörige“ lässt der betroffenen Person die Wahl, wen sie nah bei sich sieht und wen nicht.

Fazit: Sensible Sprache in der Pflege und Hospizarbeit

In der Hospizarbeit, Pflege und Medizin ist eine sensible Sprache besonders wichtig. Der Begriff „Zugehörige“ ist in diesem Zusammenhang wichtig. Er meint all diejenigen Menschen, die einer Person wichtig sind, die zu ihr gehören. Der Verwandtschaftsgrad ist dabei unwichtig. Deshalb ist der Begriff „Zugehörige“ passender.

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1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Liebe Birgit,

    vorhin hatte ich bei Facebook schon den Teaser für deinen Artikel gesehen und fand die Unterscheidung spannend und unterscheidenswert! Du sagst es, nicht allen Angehörigen fühle ich mich zugehörig, und nicht alle Zugehörigen sind mit mir verwandt! Durch die Einsätze meiner Tochter im Pflege- und Hospizbereich habe ich schon ein wenig gelernt, wie wichtig eine Würde wahrende Sprache ist, und ich finde diese Weiterentwicklung so wichtig und überfällig.

    Schön, das alles bei dir zu lesen!

    Liebe Grüße
    Silke

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