
Wieso ist ADHS teuer? Hier sind 20+ Gründe.
Vor Kurzem hat ein Unternehmen einen kleinen Fehler gemacht, der mich 10 Euro (und einigen Ärger) gekostet hat.
Hatte ich vor, das Geld zurückzufordern? Definitiv! Habe ich es gemacht? Nope. Habe ich mich darüber geärgert (und tue es noch immer und habe auch irgendwie das Gefühl, dass ich mir dieses Geld noch zurückholen werde)? Auf jeden Fall!
Und das war nur ein Zehner! Wenn ich mir anschaue, wie oft im Alltag ähnliche Dinge passieren, dann reden wir da schnell nicht mehr über Kleckerbeträge, sondern über richtig schmerzhafte Summen.
Viele Menschen wissen gar nicht, dass ADHS teuer ist. Unter Umständen sogar extrem teuer. Hier findest du 20+ Gründe dafür:
- Vergessen und verlieren: Die Sonnencreme in der Therme, das Kopfhörer-Case auf dem Weg zum Einkaufen, das Ladekabel auf dem Zeltplatz, der Regenschirm im Café. Egal, wie viel Mühe wir uns geben: Dinge verschwinden. Und müssen dann nachgekauft werden.
- Doppelt kaufen: Definitiv ist die Nagelschere irgendwo, aber ich habe keinen Plan, wo. Und ich brauche JETZT eine.
- Mahngebühren und Co: Rechnungen, die ich ganz dringend noch bezahlen muss (aber es dann doch vergesse) und für die dann Mahngebühren fällig werden. Oder (Klassiker aus meiner Jugendzeit) die vielen, vielen Mahngebühren für nicht oder zu spät abgegebene Büchereibücher.
- Ungekündigte Abos und Mitgliedschaften: Das Abo dieser einen Fitness-App. Die Bahncard, die ich nicht mehr brauche. Die Mitgliedschaft in diesem Verein, den ich schon ewig nicht mehr besuche. So was rechtzeitig zu kündigen ist der Endgegner.
- Verdorbene Lebensmittel: Der Salat, den ich definitiv gleich essen wollte und der dann im Kühlschrank ein Eigenleben entwickelt hat, weil ich ihn vergessen habe. Oder die Smoothies, die eine Weile immer im Haus sein mussten, dann aber plötzlich kein Safe-Food mehr waren und deshalb nicht mehr getrunken wurden.
- Zuzahlungen für Medikamente und andere Behandlungen: Da reden wir noch nicht mal nur über die reine ADHS-Problematik, sondern auch über Begleitprobleme. So was wie Aufbissschienen gegen Zähneknirschen, Physiotherapie gegen Verspannungen etc.
- Hyperfixierung auf neue Interessen: Ich werde ab sofort jeden Tag sticken / Origami lernen / Gläser gravieren / Bouldern gehen / Sushi machen und brauche deshalb unbedingt das Equipment dafür! Drei Wochen später: Grillen zirpen, ein Dornbusch rollt über Boulderschuhe und Stickrahmen.
- Überhaupt, Impulskäufe: Kleidung, die dann doch nicht wirklich passt. Dieser Stift in Regenbogenfarben, den ich unbedingt brauche. Bücher, die ich nicht lese. Irgendwas, das glitzert.
- Nicht oder nicht vollständig eingereichte Steuererklärungen: Trauriges Kapitel, zu dem ich mich nicht weiter äußern möchte. Verwandt damit: mir zustehende Zahlungen nicht (rechtzeitig) beantragen.
- Preis-Eskalationen durch Nachlässigkeit: Von „mit diesem komischen Geräusch müsste ich dringend mal in die Auto-Werkstatt fahren“ zu „Shit, jetzt ist es komplett kaputt“.
- Kosten durch Schusseligkeit: Kabel in der Tür eingeklemmt, Tasse runtergeworfen, mit dem Rock irgendwo hängengeblieben und ein Loch reingerissen, … So was passiert uns viel, viel häufiger als neurotypischen Menschen.
- Nicht zurückgebrachte Fehlkäufe: „Das Shirt sieht komisch an mir aus, das muss ich zurückschicken.“ – „Mist, der neu gekaufte Ventilator geht gar nicht, da muss ich noch mal in den Laden.“ Ja klar. Als ob das so einfach passieren würde.
- Nicht eingelöste Pfandbons: Einzige, manchmal funktionierende Lösung für mich: den Pfandbon während des ganzen Einkaufs in der Hand halten. Sonst denke ich garantiert beim Bezahlen nicht daran. Oder habe den Bon bis dahin verloren. Höchstwahrscheinlich beides.
- Schwarzfahren, versehentlich: Ticket vergessen, in der App was falsch angeklickt, falschen Zug ausgewählt … Die Möglichkeiten des Scheiterns in diesem Bereich sind nahezu unbegrenzt.
- Verpasste Veranstaltungen oder Fahrten: Ewig aufs Konzert gewartet und dann verpennt, dass das gestern war. Oder: Ticket mit Zugbindung gekauft, nicht rechtzeitig am Bahnhof gewesen.
- Kosten für Alltagskatastrophen: Das beste Beispiel: sich aussperren.
- Organisationshelfer: Die verzweifelte Suche nach Hilfe und Lösungen in kosten-gewordener Form von zum Beispiel Planern, Ordnungssystemen, Apps etc.
- Ausfallgebühren: „Tut mir leid, Ihr Termin war gestern, das muss ich Ihnen leider in Rechnung stellen.“
- Zu teure Verträge: Hin und wieder sollte man prüfen, ob der Handyvertrag, die Haftpflichtversicherung oder die Kontoführungsgebühren wirklich noch passen oder ob es nicht viel günstigere Lösungen gibt. Werden wir das tun? Sicher nicht. Eher schließen wir irgendwas doppelt ab, weil wir vergessen haben, dass wir es schon hatten.
- Beruflich unter den eigenen Möglichkeiten bleiben: Ohne Pointe.
Du findest, das seien alles gar keine ADHS-Symptome, sondern das würde jedem mal passieren? Du meinst, wir sollten uns mal nicht so anstellen und ADHS sei keine Ausrede für alles? Gratuliere! Dann konnte ich gerade drei Felder auf meinem ADHS-Bullshit-Bingo ankreuzen.

Gute Auflistung und toller Artikel. Ein paar der Sachen kenne ich von mir auch sehr gut. Zum Glück habe ich mittlerweile ein relativ gut funktionierendes System. Bei mir ist nie ADHS diagnostiziert worden. Damals war das noch nicht so „modern“. Aber eine liebevolle Chaotin bin ich auf jeden Fall.
Liebe Stephanie, im Finden von Systemen, Tricks und Methoden sind wir „liebenswerten Chaoten“ zum Glück meisterhaft 😀 Das Problem dabei ist nur: Es kostet viel mehr Mühe und Energie als bei anderen Leuten. Aber das gehört eben einfach dazu. Liebe Grüße, Birgit
Liebe Birgit,
meine Sohn wurde gerade auf ADHS diagnostiziert. Und es ziemlich klar, woher er das hat. Ich habe mich schon bei Judiths Artikeln so gesehen, aber den Punkt, den du hier aufmachst, kann ich nur unterschreiben. Da sind ganz viele Punkte drin, die mich bei meinem Sohn zum Wahnsinn getrieben haben. Jetzt sind wir aber eine gutsituierte Familie. Die Kosten, die du da auflistest, muss man sich eben auch leisten können.
Danke für diesen tollen Beitrag.
Liebe Grüße
Susan
Liebe Susan, man muss es sich leisten können, genau. Das ist der schmerzhafteste Punkt bei diesem Thema. Für dich und mich ist es sehr ärgerlich und manchmal auch richtig doof, aber es gibt so viele, für die kann all das existenzbedrohend sein. Es ist ja kein Zufall, dass sich ADHSler*innen viel leichter verschulden als andere. Deshalb ist es so wichtig, auch diesen Aspekt des Themas immer wieder zu beleuchten. Alles Gute für dich und deinen Sohn! Eine Diagnose im Kindesalter ist ein großes Geschenk! Viele Grüße, Birgit
Hallo Birgit,
ohhhh yes, ich kann so viele Punkte davon unterschreiben… mit AuDHS ist es Fluch und Segen zugleich, dass ich viele ADHS-Baustellen durch minutiöse Organisation total überkompsensiere. Dadurch bin ich so gut wie nie unpünktlich, verchecke keine Termine und verliere nichts und gelte als superorganisiert – aber der Preis den ich dafür zahle, ist hoch. Er bemisst sich zwar nicht in Euro, aber in Energie. Es geht verflucht viel dafür drauf, „einfach nur“ das ganz normale Leben auf die Kette zu kriegen… es hat lange gedauert, bis mir klar wurde, dass anderen Menschen das tatsächlich leichter fällt, weil sie diese ganzen Struggles gar nicht erst haben. Und dass es nicht daran liegt, dass ich zu undiszipliniert / faul / whatever wäre. Hach ja…
Liebe Grüße
Anne
Liebe Anne, ja, genau so geht es mir auch! Es funktioniert alles irgendwie und deshalb sind die Schwierigkeiten auch so lange unbemerkt geblieben. Auch von mir selbst. Woher soll man schließlich wissen, dass andere Gehirne völlig anders funktionieren? Vor allem, wenn Charakterschwäche (Faulheit, Undiszipliniertheit, Dummheit, Schwäche) so einfache Erklärungen sind … Es freut mich sehr, dass dir mein Artikel gefallen hat und du dich darin wiederfindest. Ich finde, wir müssen noch viel, viel mehr über diese Dinge sprechen und schreiben! Viele Grüße, Birgit